Interview

„Das Großthema heißt Industrie 4.0“

Von 2006 bis 2016 engagierte sich Katrin Schütz als Karlsruher Landtagsabgeordnete in der CDU-Fraktion für Wirtschafts- und Mittelstandspolitik, seit einem Jahr amtiert sie als Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium. Im Gespräch mit BNN-Korrespondent Wolfgang Voigt bewertet die gebürtige Ettlingerin das erste Jahr als Mitglied des grün-schwarzen Landeskabinetts.

Mit Ministerin Nicole Hoffmeister-Kraut und Ihnen stehen erstmals zwei Frauen an der Spitze des Wirtschaftsministeriums. Wie verändert das die Politik?


Schütz: Zunächst einmal ist das Wirtschaftsministerium nun wieder ein eigenes Ressort, das ist entscheidend. Uns ist es wichtig, bei den Unternehmen zu sein, mit den Mittelständlern den Austausch zu pflegen. Dass zwei Frauen an der Spitze stehen, sollte selbstverständlich sein. Bedeutender finde ich, dass wir beide aus der Wirtschaft kommen: die Ministerin aus einem größeren, ich selbst aus einem kleineren Unternehmen. Mit dieser praktischen Erfahrung machen wir Politik.

Ministerpräsident Kretschmann betrachtet Wirtschaftspolitik aber als Chefsache. Steht man da nicht permanent in seinem Schatten?

Schütz: Ich würde es andersherum sehen: Dass Wirtschaftspolitik hohe Priorität genießt, kommt ja der Sache nur zugute. Es ist vorteilhaft, wenn alle einen Blick auf die Wirtschaft haben, denn sie macht die Stärke Baden-Württembergs am Ende aus.

Was waren Ihre Arbeitsschwerpunkte im ersten Jahr?

Schütz: Das Großthema heißt sicherlich Wirtschaft 4.0. Die Digitalisierung der gesamten Wirtschaft schreitet extrem rasch voran. Die Herausforderung besteht darin, diesen Transformationsprozess zu begleiten und die politischen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Mit den Lernfabriken 4.0, wie wir eine soeben in Karlsruhe eröffnet haben, machen wir Azubis und Beschäftigte fit für die digitalisierte Arbeitswelt.

Welches Selbstverständnis haben Sie als Wirtschaftsstaatssekretärin?

Schütz:
Ich habe eine Mittlerfunktion zwischen Wirtschaft und Politik. Dabei kommt mir meine Erfahrung als Geschäftsführerin im eigenen Unternehmen ebenso zugute wie meine politische Erfahrung aus Verbandsarbeit und Parlament.

In Baden-Württemberg herrscht annähernd Vollbeschäftigung, und die Auftragsbücher der Unternehmen sind voll. Braucht es da überhaupt Wirtschaftspolitik?

Schütz:
Unbedingt. Wir müssen unseren Mittelstand gerade in guten Zeiten in die Lage versetzen, seine Spitzenposition in der Zukunft und unter Umständen auch in Krisenzeiten halten zu können. Etwa durch Weiterqualifizierung der Beschäftigten. Es ist das A und O, dass die Politik weiß, was den Unternehmen
unter den Nägeln brennt.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann spricht häufig davon, dass Baden-Württemberg mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreibt.

Schütz:
Ja, das ist aber keine Erfindung der Grünen. Die Bewahrung der Schöpfung war schon immer ein Anliegen meiner Partei. Richtig ist, dass in nachhaltigem Wirtschaften große Wachstumspotenziale stecken. Das haben die Unternehmen längst erkannt.

Viele Unternehmen im Land finden kein Nachwuchs-Personal. Wie gravierend ist die Lage aus Ihrer Sicht?

Schütz:
Zunächst ist es grundsätzlich erfreulich, dass die Wirtschaft gut läuft. Aber es stimmt: Die Betriebe suchen dringend Auszubildende. Im Bezirk der Arbeitsagentur Karlsruhe-Rastatt ist die Zahl der neuen Ausbildungsverträge zuletzt um zwei Prozent auf 6 672 gewachsen, während sie bundesweit rückläufig ist. Das ist sehr erfreulich. Diese jungen Leute brauchen wir auch dringend, denn das sind die Fachkräfte von morgen. Erfreulich ist auch, dass immer mehr Abiturienten eine duale Ausbildung im Handwerk beginnen. Wer heute einen Gesellenbrief in einem handwerklichen Beruf hat, bei dem stehen die Betriebe Schlange.

Engpässe gibt es auch beim Wohnraum, die baden-württembergische Landesregierung hat mit einer Wohnraumallianz reagiert. Tatsache ist aber, dass sich noch nicht allzu viel getan hat. Wie sehen Sie die Situation?

Schütz:
Unsere Wohnraumallianz ist der richtige Ansatz, denn erstmals sind auch Handwerker, Bauwirtschaft und Ingenieure mit am Tisch. Die Arbeitsgruppen arbeiten an konkreten Maßnahmenvorschlägen. Diese werden jetzt Stück für Stück umgesetzt, aber selbstverständlich braucht dieser Prozess Zeit. Ein wichtiger Fortschritt ist, dass ohne Tabus diskutiert wird. Kirchturmdenken einzelner Interessengruppen sollte möglichst keinen Platz haben. Zuversichtlich stimmt mich, dass alle Parteien im Grundsatz das gleiche Interesse haben. Und wir haben schon wichtige Schritte umgesetzt: wir haben das neue Förderprogramm „Wohnungsbau BW 2017“ mit 250 Millionen Euro Fördervolumen gestartet und die Flächengewinnung für dringend benötigte Wohnbauflächen in den Gemeinden erleichtert.

Das Gespräch führte Wolfgang Voigt.

Quelle:

Das Interview erschien am 18. Mai 2017 in den Badische Neueste Nachrichten.
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