Interview

„Männer verhandeln beim Gehalt erfolgreicher“

Ministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut im Gespräch.

Die wirtschaftliche Gleichstellung von Mann und Frau geht langsamer voran als zuletzt – so das Ergebnis des „Global Gender Gap Reports“. Im Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“ spricht die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) über die Situation in Deutschland, speziell im Südwesten, und erklärt, wie sie selbst Karriere und Familie unter einen Hut bringt.

Wie alt sind Sie in 170 Jahren, Frau Hoffmeister-Kraut?

214 Jahre.

Laut des Berichts dauert es so lange, bis Männer und Frauen wirtschaftlich gleichgestellt sind. Worin sehen Sie die Gründe?

Die Lohnunterschiede beruhen zum großen Teil auf strukturellen Faktoren. Frauen haben in der Vergangenheit oftmals nur ein enges Berufsspektrum gewählt und sind in technischen Berufen und Branchen sowie Führungs- und Spitzenpo- sitionen unterrepräsentiert. Frauen unterbrechen ihre Erwerbstätigkeit familienbedingt häufiger und länger als Männer und arbeiten häufiger in Teilzeit, Minijobs, atypischen Beschäftigungsverhältnissen und im Niedriglohnbereich.

Was muss sich denn tun, um die Lücke schneller zu schließen?


Eine der wichtigsten Aufgaben der Politik besteht darin, die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern. Mit dem Ausbau der Kinderbetreuung, dem Elterngeld und dem Elterngeld-Plus sowie mit der Verbesserung der Familienpflegezeit wurden Anreize zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, für weniger und kürzere familienbedingte Erwerbsunterbrechungen und eine rasche Rückkehr in den Beruf geschaffen. Neben dem starken Ausbau der Kleinkindbetreuung fördert auch mein Haus mit zahlreichen Maßnahmen die Verbesserung der Chancengleichheit und Einkommenssituation von Frauen, etwa mit unseren Kontaktstellen „Frau und Beruf“ oder unserem Bündnis „Frauen in MINT-Berufen“.

Bringen Quotenregelungen etwas?


Eine Quote mag Signal- und Katalysatorwirkung haben. Ich persönlich begrüße zum Beispiel die Quotenvorgabe in Aufsichtsräten von börsennotierten Unternehmen, im operativen Bereich bin ich mit entsprechenden Forderungen nach starren Vorgaben skeptisch.

Wie kann es sein, dass Frauen für die gleiche Arbeit weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen?

Ein Grund mag sicherlich sein, dass Männer in Gehaltsverhandlungen häufig erfolgreicher sind, da sie noch immer als Haupternährer der Familie gelten. Frauen dagegen gelten eher als Hinzuverdienerinnen, die deshalb eine schlechtere Verhandlungsposition haben.

Was sind die volkswirtschaftlichen Folgen davon, dass Frauen nicht gleichgestellt sind?

Die EU schätzt, dass eine Beseitigung der Lohnunterschiede in Deutschland zu einem Anstieg des BIP von 30 Prozent führen könnte.

Wäre eine Förderung der Gleichstellung nicht eine Chance, dem Fachkräftemangel zu begegnen?


Die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen stellt eine wichtige Zielsetzung im Rahmen des Programms der „Allianz für Fachkräfte“ dar. Maßnahmen müssen insbesondere etwa auf die Gewinnung von mehr Frauen für MINT-Berufe (MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik), die Reduzierung des Berufsausstiegs und die Erleichterung des Wiedereinstiegs abzielen.

Sind Sie eigentlich eine Rabenmutter?

Ich finde es schon bemerkenswert, dass diese Frage immer nur berufstätigen Müttern gestellt wird, nie den Vätern. Ob sich jemand gut und liebevoll um seine Kinder kümmert, hängt meines Erachtens nicht nur von der Berufstätigkeit der Eltern ab. Ich kann vor solchen Stigmatisierungen nur warnen.

Sie haben drei Töchter – wer betreut Ihre Kinder den Tag über?


Wir haben zum Glück ein großes familiäres Netzwerk, das uns bei der Betreuung unterstützt.

Wie haben Sie es persönlich geschafft, Familie und Karriere unter einen Hut zu bekommen?

Natürlich ist es ein Drahtseilakt, Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen. Das geht nur, wenn man Prioritäten richtig setzt. Auch in herausgehobenen Positionen muss es meines Erachtens möglich sein, Zeit für Familie und Kinder zu haben. Das eine schließt doch das andere nicht aus.

Quelle:

Das Interview erschien am 26. Oktober 2016 in der Schwäbischen Zeitung
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