Interview

Wirtschaftsministerin verspricht Hilfe für das Handwerk

Die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut spricht über die Digitalisierung im Handwerk.

Frau Hoffmeister-Kraut, das Handwerk im Land hat die Sorge formuliert, dass seine Interessen beim Thema Industrie 4.0 nicht hinreichend berücksichtigt werden. Können Sie diese Sorge verstehen?

Nicole Hoffmeister-Kraut: Ich sehe diese Sorge als unbegründet an. Auch beim Thema Industrie 4.0 stehen bei uns kleine und mittlere Unternehmen im Fokus – auch bei den Unterstützungsmaßnahmen, die im Rahmen der Allianz Industrie 4.0 in die Wege geleitet wurden und werden. Wir wollen allen Unternehmen im Land Orientierung auf dem Weg zur digital vernetzten Wertschöpfungskette geben, und zwar branchenübergreifend. Deshalb starten wir auch parallel zur Allianz eine neue Initiative Wirtschaft 4.0 und zielen dabei explizit auf das Handwerk ab, aber auch auf Handel, Hotellerie und Gastronomie, Dienstleistungen und die freien Berufe.

Sie haben zudem eine Studie „Dialog und Perspektive Handwerk 2025“ anfertigen lassen.

Hoffmeister-Kraut: Ja, damit haben wir diese Sorge aufgegriffen. Die Digitalisierung spielt hier eine große Rolle. Es war ein Anliegen des Handwerks, dass wir diese Themen aufbereiten und feststellen, wo das Handwerk steht. Daraus werden konkrete Maßnahmen abgeleitet, wie wir, gemeinsam mit den Handwerksorganisationen, die Betriebe im Hinblick auf die Herausforderungen und die Chancen der Digitalisierung unterstützen können.
 
Wo steht denn das baden-württembergische Handwerk, wenn es um Digitalisierung geht?

Hoffmeister-Kraut: Die Herausforderungen beziehen sich zum einen auf die internen Abläufe, zum anderen auf die Beziehungen zum Kunden, der heute andere Anforderungen an Kommunikation, Produkte und Dienstleistungen stellt. Laut Bitkom nutzen 26 Prozent der Handwerksbetriebe die sozialen Netzwerke für den digitalen Kundenservice. Das ist doch ein positives Signal. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks hat zudem ermittelt, dass jeder fünfte Betrieb in den vergangenen zwölf Monaten in die Digitalisierung investiert hat. Und 17 Prozent planen Investitionen in den kommenden zwölf Monaten. Jeder fünfte Betriebsinhaber sieht die Digitalisierung als Chance, nur jeder 20. als Risiko. Das Handwerk setzt sich also damit intensiv mit dem Thema auseinander.

Dennoch hat die Mehrheit der Betriebe Digitalisierung noch nicht auf dem Radar. Hinkt das Handwerk der Industrie hinterher?

Hoffmeister-Kraut: Das Handwerk begegnet hier ganz eigenen Herausforderungen, deswegen kann man das nicht gleichsetzen mit der Industrie.

Warum nicht?

Hoffmeister-Kraut: Digitale Technik findet sich eher in technischen oder Industriebereichen, nehmen Sie den Maschinenbau. Hier erschließt sich das Thema unmittelbarer als zum Beispiel bei einem Bäcker oder Stuckateur. Das Handwerk entdeckt aber zunehmend die Möglichkeiten digitaler Kanäle. Das hat auch etwas mit dem stets wachsenden Anwendungsbereich zu tun. Hinzu kommt folgendes: Die Digitalisierung bindet finanzielle und personelle Ressourcen. Viele Handwerksbetriebe sind aber klein, weshalb es für sie eine große Herausforderung ist, so ein Thema für sich zu erschließen. Damit ergibt sich unter Umständen eben auch ein Nachholbedarf. Das gilt aber genauso für kleine und mittlere Industriebetriebe. Die großen Mittelständler und Konzerne sind da natürlich viel weiter vorangeschritten.

Im Handwerk muss sich also schleunigst etwas tun?

Hoffmeister-Kraut: Es tut sich ja schon etwas und wird auch weiter geschehen. Aber man muss eben auch nach Gewerken und Branchen differenzieren. Nicht überall bietet sich das Thema sofort an. In der Baubranche etwa wird BIM (Building Information Modeling) schon häufig genutzt. Solche Instrumente werden künftig verstärkt eingesetzt, darauf muss sich das Handwerk einrichten, um wettbewerbsfähig zu sein.

Wo haben Sie denn in der Studie „Handwerk 2025“ die wichtigsten Handlungsfelder ausgemacht?

Hoffmeister-Kraut: Wir haben neun Themenfelder identifiziert, darunter die Digitalisierung. Derzeit werden gemeinsam mit den Handwerksorganisationen konkrete Maßnahmen zu diesen Themenfeldern erarbeitet, erste Ergebnisse werden Ende März vorliegen.

Was können die Handwerker denn von der Landesregierung erwarten?


Hoffmeister-Kraut: Wir werden Vorschläge zur Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle im Handwerk erarbeiten. Wir wollen aber auch die gewerkespezifische Qualifizierung unterstützen, um die jungen Menschen und die Mitarbeiter auf die neuen Herausforderungen einzustellen. Es wird auch darum gehen, Coachings für Betriebe anzubieten, um sie beim digitalen Transformationsprozess zu begleiten.

Was lässt sich die Landesregierung das Ganze kosten?


Hoffmeister-Kraut: Einiges! Wir haben die Digitallotsen als niederschwelliges Angebot für die Betriebe auf den Weg gebracht. Dann haben wir Projekte im Rahmen der Initiative Smart Home and Living und die Micro-Testbeds (moderierte Arbeitsgruppen, die Mittelständler bei der Umsetzung der Digitalisierung unterstützen – Anmerkung d. Redaktion). Diese Projekte finanzieren wir mit rund drei Millionen Euro. Wir werden im Rahmen der Initiative Wirtschaft 4.0 branchenübergreifende Maßnahmen in die Wege leiten, für die wir 8,2 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Für das Projekt „Dialog und Perspektive Handwerk 2025“ steht für 2017 eine Million Euro zur Verfügung, davon speziell für die Digitalisierung im Handwerk 500 000 Euro.

Tun die Kammern und Kreishandwerkerschaften aus Ihrer Sicht genug, um die Betriebe bei der Digitalisierung zu unterstützen?

Hoffmeister-Kraut: Verbesserungsbedarf sehen wir noch bei der betriebsspezifischen Ausrichtung des Angebots, etwa hinsichtlich der Betriebsgröße oder dem Stand der Digitalisierung. Da könnte man noch mehr in die Tiefe gehen.

Ein zentrales Thema ist die digitale Infrastruktur. Viele Unternehmen in unserer Region vermissen schnelles Internet. Wie weit ist das Land, um diese Infrastruktur zu schaffen?

Hoffmeister-Kraut: Wir haben alleine für 2017 100 Millionen Euro für den Ausbau des Glasfasernetzes zur Verfügung gestellt. Wir fördern nur dort, wo Marktversagen stattfindet. Die privaten Anbieter sind hier aber auch initiativ geworden und bereit, in eher weniger rentable Regionen zu investieren. Der Bund gibt auch Fördergelder, so dass die Kommunen diese nun abrufen können.
 
Ist die baden-württembergische Wirtschaft aus Ihrer Sicht insgesamt für die Digitalisierung gerüstet?

Hoffmeister-Kraut: Ja, diese Aussage kann man treffen. Als starker Industrie- aber auch Dienstleistungsstandort sind die Unternehmen in Baden-Württemberg durchaus für das Thema sensibilisiert und auch gerüstet. Aber bei den kleinen und mittleren Unternehmen, auch bei den Handwerksbetrieben müssen wir noch intensiver in die Beratung gehen. Es gibt eben in jeder Branche digitale Pioniere und digitale Nachzügler. Und es gibt viele, die dazwischen liegen, die das Thema erkannt haben, aber eine Begleitung in der Umsetzung benötigen. Um die kümmern wir uns jetzt massiv.

Das Gespräch führte Jürgen Paul.

Quelle:

Das Interview erschien am 30. März 2017 in der Heilbronner Stimme.
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