Am Donnerstag (26. November 2020) fand die 97. Arbeits- und Sozialministerkonferenz der Länder (ASMK) per Videokonferenz unter dem Vorsitz Baden-Württembergs statt. Ursprünglich wollten die diesjährigen Vorsitzenden der ASMK Sozial- und Integrationsminister Manne Lucha und Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut die für Arbeit und Soziales zuständigen Landesministerinnen und -minister sowie Senatorinnen und Senatoren in Mannheim begrüßen. Das war aufgrund des Pandemiegeschehens leider nicht möglich. „Die Ergebnisse der diesjährigen digitalen ASMK sind dennoch oder vielleicht auch gerade wegen der Umstände richtungsweisend“, sagte Lucha im Anschluss an die digitalen Beratungen in Stuttgart.
Die wichtigsten Ergebnisse der 97. ASMK
Einführung einer Kindergrundsicherung
Die für Arbeit und Soziales zuständigen Landesministerinnen und -minister sowie Senatorinnen und Senatoren haben an der 97. ASMK mit großer Mehrheit beschlossen, die Bundesregierung aufzufordern, gemeinsam mit den Ländern konkrete Umsetzungsschritte zur Einführung einer Kindergrundsicherung einzuleiten. Der Vorsitzende der ASMK, Baden-Württembergs Sozial- und Integrationsminister Manne Lucha hierzu: „Um Kinderarmut wirklich zu bekämpfen, brauchen wir eine Kindergrundsicherung ohne kompliziertes Antragsverfahren, die den Mindestbedarf jedes Kindes deckt und sich daran orientiert, was Kinder und Jugendliche zu einem guten Aufwachsen tatsächlich brauchen.“ Die Länder hätten ein Grobkonzept und zwei Gutachten vorgelegt, die alle bis jetzt entstandenen Fragen im Zusammenhang mit der Kindergrundsicherung abdeckten, auch die Schnittstellen zu anderen Bereichen wie dem Unterhaltsrecht und dem Steuerrecht. „Das ist eine gute Grundlage für die Erarbeitung einer Konzeption. Der Bund ist nun am Zug, gemeinsam mit den Ländern die nächsten Schritte zur Umsetzung einer Kindergrundsicherung im Interesse von Kindern und Jugendlichen einzuleiten“, so Lucha.
Weiterentwicklung der Pflegeversicherung
Die ASMK begrüßt die vom Bundesgesundheitsministerium vorgelegten Eckpunkte für eine Pflegereform 2021. Die Eckpunkte sehen u.a. vor, den pflegebedingte Eigenanteil, der für die Pflege in stationären Einrichtungen von den Betroffenen aufgebracht werden muss, zu begrenzen. „Dies ist ein wichtiger Schritt, um Pflegebedürftige und ihre Angehörigen vor einer finanziellen Überforderung aufgrund stetig ansteigender Eigenanteile in der stationären Pflege zu schützen und verbleibende Kosten planbarer und transparenter zu machen“, so Minister Lucha. „Außerdem ist zu begrüßen, dass laut der Eckpunkte für eine Pflegereform 2021 gesamtgesellschaftliche Aufgaben durch Steuerzuschüsse aus dem Bundeshaushalt finanziert werden sollen. Damit wird eine zentrale Forderung der Länder aufgegriffen. Wichtig ist, dass die Länder nun in die weitere Diskussion über die Ausgestaltung und Konkretisierung der Maßnahmen frühzeitig und umfassend eingebunden werden“, forderte Lucha. Dies wurde von der ASMK einstimmig beschlossen.
Sachstandsbericht „Potenziale der Digitalisierung in der Pflege nutzen“
Die Corona-Pandemie wirkt besonders stark auf die Lebens- und Versorgungssituation von Pflegebedürftigen. Der Einsatz digitaler Technologien in der Pflege birgt zahlreiche Potenziale zu deren Verbesserung. Unter der Federführung Baden-Württembergs wurde für die 97. ASMK ein Sachstandsbericht „Potenziale der Digitalisierung in der Pflege nutzen“ erarbeitet und einstimmig angenommen. Der Bericht gibt erstmals gebündelt Auskunft über die Schwerpunkte, Strategien und Aktivitäten der Länder im Bereich der Digitalisierung in der Pflege. Ein wesentlicher Aspekt des Berichtes ist die geäußerte Notwendigkeit einer vollumfänglichen und flächendeckenden Einbindung der Langzeitpflege in die Telematikinfrastruktur.
Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut zu den gefassten Beschlüssen:
„In der Wirtschaft sprechen wir alle von Innovation. Ich bin davon überzeugt, dass wir künftig auch noch mehr innovative Ansätze in der Arbeitsmarktpolitik und Beschäftigungsförderung brauchen. Darum setze ich mich für größere Spielräume bei der so genannten Experimentierklausel ein, damit wir neue Unterstützungsangebote entwickeln und erproben können“, sagte die baden-württembergische Arbeitsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut.
Dass sich solche Experimente in den Ländern lohnen, zeige der in Baden-Württemberg entwickelte „Passiv-Aktiv-Tausch“, der sich inzwischen im Teilhabechancengesetz des Bundes wiederfindet. „Die Corona-Krise bringt große arbeitsmarktpolitische Herausforderungen mit sich. Auch wenn wir vor allem durch die Kurzarbeit und deren Ausweitung bisher vieles abfedern und Beschäftigung und Existenzen sichern können, werden auch die Arbeitsmarktchancen der Langzeitarbeitslosen von den Umbrüchen des Arbeitsmarktes nicht unberührt bleiben“, warnte die Ministerin. „Darum setze ich mich dafür ein, dass der erfolgreich in Baden-Württemberg entwickelte Passiv-Aktiv-Tausch ausgeweitet wird. Indem wir Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren, sollen künftig noch mehr Langzeitarbeitslose auf dem Weg in eine Erwerbstätigkeit und zu einem selbstbestimmten Leben unterstützt werden können“, zeigte sich Hoffmeister-Kraut überzeugt.
Die Arbeitsministerin setzte sich außerdem dafür ein, die besondere Situation von arbeitslosen Frauen stärker zu fokussieren: „Es gibt einen viel zu großen Gender-Gap bei der Integrationsquote im SGB II. Durch die Corona-Pandemie haben sich die ungleichen Integrationschancen noch weiter verschärft. Gerade die Frauen sind es, die durch geschlossene Kindertageseinrichtungen und Home-Schooling vermehrt Erziehungs- und Betreuungsarbeit leisten und besonders beansprucht sind. Ich habe die Sorge, dass alte Rollenbilder wiederaufleben oder sich weiter verfestigen“, betonte die Arbeitsministerin. Die aktuelle Krise treffe Wirtschaftssektoren wie das Gastgewerbe stark, in denen Frauen vermehrt zu finden seien. Erste Zahlen zu den Zugängen zur Arbeitslosigkeit und zum Beschäftigungsrückgang bei Minijobs zeigten, dass Frauen momentan stärker von Arbeitsplatzverlusten betroffen seien als Männer, führte Hoffmeister-Kraut aus. „Mit unserem Vorstoß, für die Beauftragten für Chancengleichheit in den Jobcentern einen Mindeststellenanteil gesetzlich vorzugeben, wollen wir die Frauen stärken und bessere Erfolge bei ihrer Vermittlung und Integration in Arbeit erreichen“, hob Hoffmeister-Kraut hervor.
Bremen übernimmt ASMK-Vorsitz von Baden-Württemberg
Für die Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa der Freien Hansestadt Bremen, Kristina Vogt, wird im anstehenden Vorsitzjahr der Fokus auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf den Arbeitsmarkt liegen. Hier gilt es Entlassungen zu vermeiden und trotz erschwerter Bedingungen bei der Integration von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt und von jungen Menschen in den Ausbildungsmarkt nicht nachzulassen. Aus ihrer Sicht sind angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen größere Anstrengungen erforderlich: „Corona wirkt auf die Transformation am Arbeits- und Ausbildungsmarkt wie ein Brennglas: Nachqualifizierung, Umschulung und Weiterbildung kommt noch höhere Bedeutung zu.“
Auch Sozialsenatorin Anja Stahmann geht davon aus, dass die Zeit des Bremer ASMK-Vorsitzes ganz unter dem Eindruck der Pandemie und ihren Folgen stehen wird: „Mit der starken Betonung der sozialen Isolation zur Beherrschung der Infektionsraten behindert die derzeitige soziale Lage die Integration von Menschen auf vielen Ebenen – ob in der Migrationspolitik oder in der Behindertenpolitik, unter anderem mit dem stark beschränkten Zugang zu den Werkstätten.“ In der Altenpolitik werde in diesem Zusammenhang das Thema Isolation und Einsamkeit noch deutlich größeres Gewicht bekommen.