Seit einem Jahr läuft der Strategiedialog „Bezahlbares Wohnen und innovatives Bauen“. Etwa 200 Expertinnen und Experten arbeiten an konkreten Lösungen, um Wege für bezahlbaren Wohnraum, ökologisches Bauen und Sanieren sowie Transformation und Digitalisierung der Bauwirtschaft aufzuzeigen.
„Wir brauchen dringend ausreichend bezahlbaren und bedarfsgerechten Wohnraum in Baden-Württemberg – im Einklang mit unseren Nachhaltigkeitszielen. Zu einigen seit Jahren bestehenden Herausforderungen auf dem Wohnungs- und Immobilienmarkt und im Bausektor sind weitere hinzugekommen oder haben sich dramatisch verschärft. Darum ist der Strategiedialog Bezahlbares Wohnen und innovatives Bauen (SDB) in dieser maximal komplexen Lage so bedeutend“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Donnerstag, 13. Juli 2023, bei der Jahresveranstaltung des Strategiedialogs im Tollhaus in Karlsruhe.
Die gestiegenen Kapitalkosten, der Fachkräftemangel, die hohen Energiepreise und Störungen der Lieferketten brächten das Planen und Bauen im Neubau praktisch zum Stillstand. Gleichzeitig stiegen die Mieten momentan weiter an. „Deshalb ist es wichtig, dass wir als Landesregierung die Mittel für die soziale Wohnraumförderung mit einer Milliarde Euro im aktuellen Doppelhaushalt verdoppelt haben“, so Kretschmann.
Etwa 200 Expertinnen und Experten des Strategiedialogs arbeiten an konkreten Lösungen, um Wege für bezahlbaren Wohnraum, ökologisches Bauen und Sanieren sowie Transformation und Digitalisierung der Bauwirtschaft aufzuzeigen. In Karlsruhe stellten die Arbeitsgruppen nun die ersten Vorhaben, Projekte und Zwischenergebnisse vor.
Innovationskraft in der Bauwirtschaft stärken, um Baukosten zu senken
„Wir arbeiten im Strategiedialog an Projekten zur Transformation und Digitalisierung der Bauwirtschaft, um den Fortschritt und Wohlstand in unserem Land zu sichern. Mithilfe des Strategiedialogs wollen wir die Innovationskraft stärken und dadurch Baukosten senken“, sagte die Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus, Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut.
Lösungen und Ergebnisse so schnell wie möglich umsetzen
„Seit einem Jahr läuft unser Strategiedialog, und das Engagement aller Beteiligten ist beeindruckend. Wir gehen die wichtigsten Themen im Bereich Bauen und Wohnen an und machen dabei gute Fortschritte. Das ist mir besonders wichtig, denn der Strategiedialog ist zwar insgesamt auf sieben Jahre angelegt. Aber die Lösungen und Ergebnisse, die wir finden, wollen wir auch so schnell wie möglich umsetzen“, sagte Staatssekretärin im Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen, Andrea Lindlohr.
„Der Strategiedialog hat sich zum Ziel gesetzt, die bestehenden Zielkonflikte zum Beispiel zwischen der Schaffung von Wohnraum und dem sparsamen Umgang mit Flächen mit konkreten Projekten anzugehen. Wir stellen mit diesem Format auch rechtliche Normen und Standards auf den Prüfstand und arbeiten an einem Werkzeugkasten für die Kommunen. Mit seiner ressortübergreifenden Arbeitsweise zusammen mit Praktikerinnen und Praktikern aus den Bereichen Planen, Bauen und Wohnen leistet der Strategiedialog einen wertvollen Beitrag“, betonte Kretschmann.
Erste konkrete Projekte auf den Weg gebracht
„Das Bauen ist einer der größten Hebel bei der Senkung der CO2-Emmissionen, denn weltweit macht dieser Sektor rund 40 Prozent der Emissionen aus. Daher kümmern wir uns darum, das Bauen und den Bestand zu dekarbonisieren“, so Ministerpräsident Kretschmann. Eines der Projekte des Strategiedialogs ist die Siedlung Pfaffengrund in Heidelberg, wo verschiedene Sanierungsmethoden erprobt werden sollen, die ein Gebäude CO2-neutral machen. Man müsse sich den Bestand auch deshalb zunutze machen, weil die im Bestand bereits investierten grauen Energien, also Emissionen etwa aus Materialgewinnung, Produktherstellung, Transport und Einbau ja bereits angefallen seien, betonte Kretschmann. „Das Bauen im Bestand ist daher eine große Stellschraube, aber ohne den Neubau können wir auch nicht ausreichend bezahlbaren Wohnraum schaffen. Dabei wird es uns helfen, Baumaterialien im großen Stil wiederzuverwenden.“ So drehen sich weitere Projekte des SDB um das Recycling von Baumaterialien, das Wiederverwenden von Bauteilen, und Regionalität.
Es gehe darüber hinaus auch um neue Technologien oder die Systematisierung von bestehenden Ansätzen, ergänzte Staatssekretärin Lindlohr. „Deshalb fördern wir im Rahmen des Strategiedialogs ein Projekt zur Wiederverwendung von Stahlbetonbauteilen. Ein weiteres innovatives Vorhaben befasst sich perspektivisch mit dem Aufbau von regionalen Sekundärstoffzentren in Baden-Württemberg, sodass recycelte Baustoffe in der Nähe verfügbar sind.“ In Sekundärrohstoffzentren könnten künftig die Baumaterialien aus den Bestandsgebäuden recycelt und anschließend beim Herstellen von Baustoffen wiederverwertet werden.
„Das Bauen kennzeichnet sich nach wie vor durch den handwerklichen Umgang mit industriell geprägten Massenbaustoffen, sodass Innovationen nur langsam Eingang in die breite Anwendung finden. In einem Vorhaben des SDB, das jetzt startet, geht es beispielsweise um den potentiellen Praxistransfer skalierbarer innovativer Produkt- und Prozesslösungen“, erklärte Wirtschaftsministerin Dr. Hoffmeister-Kraut.
Ein „Digitales Experimentiermobil“ soll Bürgerinnen und Bürger zum Experimentieren im Bereich des nachhaltigen Modernisierens und der gleichzeitigen Wohnraumschaffung im Bestand einladen. Zielgruppe sind insbesondere Eigentümerinnen und Eigentümer von Ein- und Zweifamilienwohnhäusern. Mit dem Experimentiermobil können sie sich mit den Themen Wohnfläche, nachhaltige Bauprodukte, Baukosten, Flexibilität und Resilienz beschäftigen. Dadurch können die Bürgerinnen und Bürger Wohnraumpotentiale im Bestand durch Teilung, An-/Umbau oder Aufstockung ausloten, wodurch mehr ressourcenschonender Wohnraum geschaffen werden kann.
Normen und Standards auf dem Prüfstand
„Der Bürokratieabbau ist ein Top-Thema der Landesregierung. Deshalb überprüfen alle Ressorts die bestehenden Vorschriften. Im Baubereich haben wir den virtuellen Bauantrag auf den Weg gebracht, aber wir werden auch die Landesbauordnung unter die Lupe nehmen“, so Kretschmann. Allerdings liege der Hauptteil der Regulation im Bereich Bauen beim Bund, der gefragt sei. „Wir brauchen mehr Beinfreiheit, um Raum für Innovationen und ein effizientes und bezahlbares Wohnen zu bekommen.“