Vergabeverfahren, bei denen der Auftragswert die EU-Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, können auf Antrag in einem formellen Verfahren vor der Vergabekammer auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden (§ 155 Absatz 1 GWB).
In zweiter Instanz kann der Vergabesenat beim zuständigen Oberlandesgericht (in Baden-Württemberg: Oberlandesgericht Karlsruhe) angerufen werden.
Die Grundlagen des Nachprüfungsverfahrens ergeben sich aus den §§ 160 ff. GWB.
In Baden-Württemberg wurde die Vergabekammer beim Regierungspräsidium Karlsruhe eingerichtet.
Der Auftraggeber muss nach § 134 GWB die nicht berücksichtigten Bieter über seine Zuschlagsentscheidung informieren, und zwar 15 Kalendertage vor der Zuschlagserteilung, bzw. 10 Kalendertage vor der Zuschlagsentscheidung, wenn die Information per Fax oder auf elektronischem Wege versendet wird. Die Frist beginnt am Tag nach der Absendung der Information durch den Auftraggeber. Innerhalb dieser Frist kann der Bieter die Entscheidung des Auftraggebers vor der Vergabekammer überprüfen lassen. Unterbleibt die Information der Bieter durch den Auftraggeber oder erteilt er den Zuschlag vor Fristablauf, so ist der Vertrag unwirksam (§ 135 Absatz 1 Nr. 1 GWB).
Bei den Rechtsschutzmöglichkeiten des Bieters ist zu unterscheiden zwischen:
- Rechtsschutz vor der Zuschlagsentscheidung,
- Rechtsschutz des Bieters zwischen Zuschlagsentscheidung und Zuschlagserteilung,
- Rechtsschutz nach der Zuschlagserteilung.
Der Bieter kann zum Schutz seiner Rechte vor der Entscheidung des Auftraggebers, welchem Bieter er den Zuschlag erteilen wird, in erster Instanz die Vergabekammer anrufen. Die Vergabekammer wird nur auf Antrag tätig. Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Bieterrechten geltend macht. Die Verletzung kann in der Nichtbeachtung der Vergabevorschriften oder in dem Unterlassen der Ausschreibung liegen.
Der Antragsteller hat den Verfahrensverstoß, sofern er ihn erkannt hat oder der Verstoß aus der Bekanntmachung erkennbar ist, bei der Vergabestelle vor Stellung des Nachprüfungsantrags zu rügen. Kommt er seiner Rügepflicht nicht unverzüglich nach, so ist der Antrag unzulässig.
Ist der Antrag nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so stellt ihn die Vergabekammer dem Auftraggeber zu. Nach der Zustellung des Antrags darf der Auftraggeber den Zuschlag bis zur Entscheidung der Vergabekammer und bis zum Ablauf der für die Einlegung der sofortigen Beschwerde an das Beschwerdegericht geltenden Frist nicht erteilen.
Die Vergabekammer fällt und begründet ihre Entscheidung nach einer mündlichen Verhandlung binnen einer Frist von fünf Wochen. Die Frist kann ausnahmsweise bei besonders schwierigen Verfahren durch begründete Verfügung verlängert werden.
Mit der Erteilung des Zuschlags enden die primären Rechtsschutzmöglichkeiten des vermeintlich übergangenen Bieters. Die Zuschlagserteilung ist nach den Bestimmungen des GWB unanfechtbar (§ 168 Abs. 2 GWB). Der vermeintlich übergangene Bieter kann nur noch die Feststellung des Vorliegens einer Rechtsverletzung beantragen, sofern er vor Zuschlagserteilung ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet hat, oder Schadensersatzansprüche geltend machen (so genannter Sekundärrechtsschutz).
Gegen das für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens bestehende Zuschlagsverbot kann sich der Auftraggeber zur Wehr setzen, indem er bei der Vergabekammer beantragt, ihm die Zuschlagserteilung zu gestatten. Diesen Antrag gemäß § 169 Abs. 2 GWB kann auch das Unternehmen stellen, das den Zuschlag erhalten soll. Die Vergabekammer gestattet nach vorläufiger Prüfung die Zuschlagserteilung, wenn die Vorteile eines raschen Abschlusses des Vergabeverfahrens die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zum Abschluss der Nachprüfung überwiegen. Allerdings kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Bieters das Verbot der Zuschlagserteilung wiederherstellen. Versagt die Vergabekammer dem Auftraggeber den Zuschlag, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag den Zuschlag gestatten.
Gegen die Entscheidung der Vergabekammer in der Hauptsache ist die sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe zulässig. Die Beschwerde ist binnen einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, schriftlich und mit Begründung beim Beschwerdegericht einzulegen. Für das Beschwerdeverfahren gilt Anwaltszwang, ausgenommen für juristische Personen des öffentlichen Rechts.
Hält das Beschwerdegericht die Beschwerde für begründet, so hebt es die Entscheidung der Vergabekammer auf. Es entscheidet entweder in der Sache selbst oder verpflichtet die Vergabekammer, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts in der Sache erneut zu entscheiden.
Die sofortige Beschwerde hat gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer aufschiebende Wirkung. Der Auftraggeber darf den Zuschlag nicht erteilen. Auf schriftlichen und gleichzeitig begründeten Antrag des Auftraggebers kann das Beschwerdegericht unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der sofortigen Beschwerde den weiteren Fortgang des Vergabeverfahrens und die Zuschlagserteilung gestatten. Das Beschwerdegericht hat die Vorabentscheidung über die Zuschlagsgestattung innerhalb von fünf Wochen nach Eingang des Antrags zu treffen und zu begründen.
Für die Entscheidung in der Hauptsache ist das Beschwerdegericht an keine Frist gebunden.
Der Bieter kann zudem wegen Verletzung von Vergabevorschriften Schadensersatzansprüche, insbesondere für die Kosten der Vorbereitung des Angebots oder die Teilnahme am Vergabeverfahren vor den ordentlichen Gerichten geltend machen. Diese sind an unanfechtbare Entscheidungen der Vergabekammer und des Beschwerdegerichts gebunden.
Antragsteller, welche die Rechtsschutzmöglichkeiten des Vergaberechts rechtsmissbräuchlich einsetzen, sind dem Gegner und den Verfahrensbeteiligten zu Schadensersatz verpflichtet. Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn
- die Aussetzung oder die weitere Aussetzung des Vergabeverfahrens durch vorsätzlich oder grob fahrlässig vorgetragene falsche Angaben erwirkt wird,
- die Überprüfung mit dem Ziel beantragt wird, das Vergabeverfahren zu behindern oder Konkurrenten zu schädigen
- ein Antrag in der Absicht gestellt wird, ihn später gegen Geld oder andere Vorteile zurückzunehmen.
Für die Amtshandlungen der Vergabekammer werden Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben. Die Höhe der Gebühr beträgt grundsätzlich mindestens 2.500 Euro und soll einen Betrag von 50.000 Euro nicht überschreiten; im Einzelfall, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch ist, kann die Gebühr bis zu einem Betrag von 100.000 Euro erhöht werden.
Die Vergabekammer verlangt vor der Zustellung des Nachprüfungsantrags an den Auftraggeber die Zahlung eines Vorschusses in Höhe der Mindestgebühr.
Die unterliegende Partei hat grundsätzlich die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Gegenseite zu tragen. Hat sich der Antrag vor Entscheidung der Vergabekammer durch Rücknahme oder anderweitig erledigt, ist die Hälfte der Gebühr zu entrichten. Für die zweite Instanz gelten die allgemeinen für gerichtliche Verfahren bestehenden Regelungen.