Baden-Württemberg hat seine ablehnende Haltung zu einer Klage gegen den Länderfinanzausgleich gegenüber dem Bundesverfassungsgericht begründet. Das Land hat dazu in der vergangenen Woche eine entsprechende Stellungnahme zum Normenkontrollantrag Bayerns und Hessens beim Gericht eingereicht, wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid in Stuttgart sagten. Beide setzen sich für eine Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen auf dem Verhandlungsweg ein. In die anstehenden Verhandlungen mit Bund und Ländern geht Baden-Württemberg mit einem 10-Punkte-Papier, das der Ministerpräsident und der Finanzminister ebenfalls vorstellten.
„Wir favorisieren Verhandlungen. Eine Klage wäre für uns nur ultima ratio. Auch im Falle einer erfolgreichen Klage müsste man letztlich verhandeln. Diese sind auch nötig, denn die Belastung Baden-Württembergs als eines von aktuell nur noch drei Geberländern im Länderfinanzausgleich hat ein Volumen erreicht, bei dem das Land an seine Grenzen stößt. Am Prinzip des solidarischen Ausgleichs unter den Ländern wollen wir aber weiterhin festhalten“, betonten Kretschmann und Schmid.
„Der Bund ist gefordert, die Länder und Kommunen bei der Bewältigung der Zukunftsaufgaben wie Bildung, Infrastruktur, Wissenschaft, Soziales und Energiewende mit substantiell mehr Mitteln auszustatten. Dazu müssen auch Mittel aus dem Solidarpakt und dem Solidaritätszuschlag, für die nach 2019 der Zweck entfällt, allen Ländern unabhängig von Himmelsrichtungen zur Verfügung gestellt werden“, sagte Kretschmann.
Schmid ergänzte: „Insbesondere die Einwohnerwertung im Finanzausgleich und die zu starke Einbeziehung der kommunalen Finanzkraft sind Stellschrauben, an die wir ran müssen. Die Einwohnerwertung führt zu einer nicht zu rechtfertigenden Besserstellung der Stadtstaaten. Der derzeitigen Einbeziehung der kommunalen Finanzkraft zu 64 Prozent steht aus unserer Sicht die Verfassung entgegen, da die finanzielle Unabhängigkeit der Kommunen im Grundgesetz verankert ist und zuletzt deutlich gestärkt wurde.“
Stellungnahme Bundesverfassungsgericht
Die Landesregierungen haben noch bis zum 31. März 2014 Zeit, ihre Stellungnahmen zur Klage Bayerns und Hessens gegen den Länderfinanzausgleich beim Bundesverfassungsgericht abzugeben. Baden-Württemberg hat dies bereits am 21. März 2014 getan. Die Stellungnahme konzentriert sich auf die Hauptproblempunkte im aktuellen Finanzausgleich aus Sicht Baden-Württembergs.
1. Einwohnerveredelung
Die Einwohnerzahl von Stadtstaaten wird aktuell zu 135 Prozent gewichtet. Auch die der dünn besiedelten Länder wird überdurchschnittlich berücksichtigt. Diese Gewichtung ist nicht verfassungsgemäß begründet. Unser Ziel ist es, dass alle Einwohner in allen Ländern im Länderfinanzausgleich gleich gewertet werden. Die kritische Rechtsprechung mehrerer Landesverfassungsgerichte zur Einwohnerwertung im kommunalen Bereich weist darauf hin, dass es nicht gelungen ist, objektive Mehrbedarfe zu ermitteln, die eine Einwohnerwertung rechtfertigen. Soweit in den einzelnen Stadtstaaten bzw. dünn besiedelten Flächenländern Sonderbelastungen vorgegebener struktureller Art bestehen, müssten diese jeweils gesondert im Gesamtzusammenhang der Bund-Länder-Finanzbeziehungen berücksichtigt werden.
2. Einbeziehung der kommunalen Finanzkraft
Die Berücksichtigung der kommunalen Finanzkraft in Höhe von 64 Prozent ist zu hoch und muss deutlich reduziert werden. Die Höhe von 64 Prozent erscheint willkürlich, die Ermittlung ist nicht nachzuvollziehen. Die Kommunen wurden in den 90er Jahren durch eine Änderung im Grundgesetz in ihrer finanziellen Eigenständigkeit gestärkt. Dies wird in der aktuellen Regelung nicht ausreichend berücksichtigt.
10-Punkte-Papier
In dem Papier fasst die Landesregierung ihre Hauptpunkte für die anstehenden Verhandlungen zu den Bund-Länder-Finanzbeziehungen zusammen.
- Die einnahmeorientierte Grundstruktur des bestehenden bundesstaatlichen Finanzausgleichs hat sich zwar bewährt. Dennoch hat die Belastung Baden-Württembergs ein Volumen erreicht, das das Land an seine Grenzen bringt. Ziel der Neugestaltung muss deshalb auch eine Entlastung des Landes sein.
- Der Bund muss die Länder und Kommunen für die anstehenden Zukunftsaufgaben mit dauerhaft zusätzlichen Mitteln ausstatten, vor allem in den Bereichen Bildung, Wissenschaft, Forschung und Entwicklung, Infrastruktur, Soziales und Energiewende.
- Die frei werdenden Solidarpakt-Mittel müssen allen Ländern zur Verfügung stehen, ebenso die Entlastungen des Bundes bei den sonstigen Finanzhilfen.
- Die Kommunen sollen im Umfang von 5 Milliarden Euro jährlich von der Eingliederungshilfe entlastet werden. Baden-Württemberg wird sich dafür einsetzen, dass das Gesetz zeitnah in Kraft tritt und der Gesamtbetrag dynamisiert wird.
- Der Bund sollte sich ferner stärker an Sozialausgaben beteiligen und diese dynamisieren, etwa bei den Kosten für Unterkunft und Heizung, Kosten der Hilfe zur Pflege oder den Kosten der Kinder- und Jugendhilfe.
- Die Einbeziehung der kommunalen Finanzkraft: s.o.
- Einwohnerveredelung: s.o.
- An der sachgerechten bisherigen Behandlung der Kapitalertragsteuer auf Dividenden in der Steuerverteilung wollen wir festhalten.
- Wir setzen uns dafür ein, die Steuerautonomie der Länder ohne Berücksichtigung im Länderfinanzausgleich deutlich auszuweiten, um damit den Länderfinanzausgleich insgesamt anreizgerechter auszugestalten.
- Der Finanzausgleich ist grundsätzlich einnahmeorientiert und damit nicht geeignet, dem demographischen Wandel und den Besonderheiten einzelner Länder gerecht zu werden. Dem muss durch zielgerichtete Instrumente etwa zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur oder zur Förderung von Städten und ländlichem Raum im Rahmen der deutschen und der europäischen Struktur- und Entwicklungspolitik begegnet werden.