Die WMK-Vorsitzende sagte: „Wir müssen wieder mehr Unternehmertum wagen. Für den Erfolg des Wirtschaftsstandorts Deutschland sind maßgeblich unsere Unternehmen und unsere Selbstständigen verantwortlich. Deswegen gehören sie wieder in den Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik gerückt.“
In der Landeshauptstadt Stuttgart trafen sich die Wirtschaftsministerinnen, -minister und
-senatorinnen der 16 deutschen Bundesländer an zwei Tagen zur jährlichen Konferenz. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche war am zweiten Tag zur aktuellen wirtschaftspolitischen Diskussion digital zugeschaltet. Bei der abschließenden Pressekonferenz sprachen die WMK-Vorsitzende Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut sowie Claus Ruhe Madsen (CDU), Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus in Schleswig-Holstein, und Dr. Melanie Leonhard (SPD), Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Innovation der Freien Hansestadt Hamburg.
Die WMK-Vorsitzende Hoffmeister-Kraut betonte: „Die Zahl der Verordnungen, Richtlinien, Gesetze und Berichtspflichten haben bei uns inzwischen Rekordwerte erreicht, während die Industrieproduktion lahmt, Handwerksbetriebe ums Überleben kämpfen und Mittelstand und Selbstständige unter immer neuen Lasten ächzen. Selten war der Handlungsdruck so groß wie jetzt. Unsere über Jahrzehnte bewährte Soziale Marktwirtschaft steht auf dem Spiel und damit der wirtschaftliche Erfolg unseres Wirtschaftsstandorts.“ Die Ministerin ergänzte: „Wir brauchen Menschen, die bereit sind, ins Risiko zu gehen, die investieren, die Neues wagen, die sich dem Wettbewerb vor Ort sowie national und international stellen. Hierfür braucht es die passenden Rahmenbedingungen. Als Wirtschaftsministerkonferenz haben wir daher gestern und heute eine Reihe wichtiger Beschlüsse gefasst.“
Die Wirtschaftsministerkonferenz ist sich einig, dass die Rahmenbedingungen für Unternehmen und gerade auch für Start-ups deutlich verbessert werden müssen. Sie fordert die Bundesregierung auf, gegenüber der EU die Interessen der deutschen und europäischen Wirtschaft konsequent zu vertreten. Deutschland müsse sich frühzeitig und geschlossen positionieren und dafür eintreten, dass Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig gefördert werden. „Der von der Kommission angekündigte Prozess zur Reduzierung der Berichts- und Dokumentationspflichten um bis zu 35 Prozent muss möglichst zügig in Angriff genommen werden. Wir sind uns einig, dass die Berichts- und Nachweispflichten auf EU-Ebene auf das Mindestmaß reduziert und sämtliche Regelungen praxistauglich und verhältnismäßig ausgestaltet werden müssen“, so die WMK-Vorsitzende Hoffmeister-Kraut.
Die Wirtschaftsministerkonferenz fordert die Bundesregierung außerdem auf, das in Deutschland bereits geltende Recht umfassend daraufhin zu überprüfen, ob es Standards und Vorgaben enthält, die über das europäische Maß hinausgehen. Soweit im Rahmen der Überprüfung ein sogenanntes Gold-Plating festgestellt wird, sollte eine Prüfung erfolgen, inwieweit die innerstaatlichen Regelungen kurzfristig an das europäische Mindestmaß angepasst werden können.
Im Zentrum stand zudem die Frage, wie die Rahmenbedingungen für privates Wagniskapital verbessert und damit eines der größten Gründungshemmnisse in Deutschland beseitigt werden kann. Eine Möglichkeit ist die Kapitalanlage über Dachfonds, um Investitionen auch von privaten Kleinanlegern zu erleichtern. Dazu müssen die Rahmenbedingungen für solche Dachfonds verbessert werden. Erleichtert werden sollen auch die Zugangsmöglichkeiten für kleine und mittlere Unternehmen zum Kapitalmarkt. Darüber hinaus stellte die Wirtschaftsministerkonferenz fest, dass die Attraktivität des deutschen Kapitalmarktes für in- und ausländische Investoren gesteigert werden muss.
Angriffe aus dem Cyberraum stellen eines der größten Risiken dar, denen Unternehmen heute ausgesetzt sind. Hoffmeister-Kraut: „Der Bund muss hier insbesondere dafür Sorge tragen, dass den Unternehmen auch künftig Unterstützungsmaßnahmen zur Verfügung stehen und dass die Cybersicherheitsbranche in Deutschland und Europa gestärkt wird.“ Ein entsprechender Beschluss wurde einstimmig beschlossen.
Weitere Beschlüsse wurden unter anderem zu den Themen „EU-Chemikalienregulierung reformieren und auf das Wesentliche fokussieren“ und „Rahmenbedingungen für die sicherheitsrelevante Verteidigungsindustrie entwickeln“ gefasst.
Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen machte mit Blick auf die Keynote und das anschließende Gespräch mit Ola Källenius, dem Vorstandsvorsitzenden der Mercedes-Benz Group AG, deutlich, dass weitere bürokratische Belastungen der Wirtschaft in der gegenwärtigen ökonomischen Phase die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und der EU massiv gefährden würden. „Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Verlässlichkeit müssen daher im gemeinsamen Fokus von Bund und Ländern stehen“, so Madsen. Vor allem müssten weitere Kontrollsysteme und Berichtspflichten vermieden werden. „Darum setzen wir uns als Länderministerinnen und -minister unter anderem dafür ein, dass die Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes gestrichen und die Umsetzung auf EU-Ebene umfassend überarbeitet wird“, sagte Madsen.
Auch die EU-Chemikalienregulierung betrachtet der Schleswig-Holsteiner mit Sorge: „Sie sorgt in der Chemieindustrie und den von ihr abhängigen Wertschöpfungsketten durch immer höheren Aufwand, erhebliche Planungsunsicherheit, Innovations- und Investitionsstau für immensen Schaden.“ Vor allem ein pauschales Verbot von PFAS sei der falsche Weg. Stattdessen müsse es einen differenzierten und risikobasierten Regulierungsansatz geben. Madsen: „Wir müssen wieder stärker hin zu mehr Vertrauen und weniger bürokratischer Kontrolle kommen. Klar ist: Verstöße gegen geltendes Recht müssen geahndet werden. Es darf aber nicht so weitergehen, dass Unternehmer und Unternehmen in der EU strafbewehrt verpflichtet werden, in vielfacher Hinsicht ‚jedes Mal zu dokumentieren, wenn sie bei grün über die Ampel gehen‘, unabhängig davon, ob es dabei um Arbeitsstandards, Umwelt, Klima, oder andere schützenswerte Aspekte geht.“
Dr. Melanie Leonhard, Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Innovation der Freien Hansestadt Hamburg, sagte: „Wir müssen angesichts der geopolitischen Lage die Rahmenbedingungen für die sicherheitsrelevante Verteidigungsindustrie weiterentwickeln. Dazu gehören Verbesserungen bei der Auftragsvergabe, zügige öffentliche Beschaffungen, und auch Investitionen in belastbare öffentliche Infrastrukturen. Dazu zählen nicht zuletzt auch unsere Häfen als bedeutende Logistikinfrastrukturen. Sie sind lebenswichtige Schlagadern des Wirtschaftsstandorts Deutschland und auch für die Sicherung von Versorgung und Lieferkettenstabilität. Auch vor diesem Hintergrund gewinnt die Umsetzung der nationalen Hafenstrategie an Bedeutung – wir brauchen für die damit verbundenen Maßnahmen in dieser Legislaturperiode eine klare Finanzierung und echten politischen Willen in der Bundesregierung!“
Im kommenden Jahr wird die Konferenz ein zweites Mal in Baden-Württemberg stattfinden, dann in Konstanz. Das Schwerpunktthema für 2026 wird „Mit Wettbewerb und Innovationen den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken“ sein.