Das Tübinger Institut für angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) legte am 22. Dezember seine aktuelle Konjunkturprognose für Baden-Württemberg vor. Demnach wird für Schlussquartal 2021 ein leichter Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts erwartet. Im Jahresdurchschnitt 2021 rechnen die Forscher mit einem realen BIP-Wachstum von leicht über vier Prozent. Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut sagte: „Die aktuelle Prognose bewegt sich im Rahmen dessen, was wir im Sommer erwartet hatten. Über das gesamte Jahr 2021 betrachtet, ist die wirtschaftliche Erholung im Land somit weiter vorangekommen. Allerdings konnte die pandemiebedingte Rezession des Jahres 2020 noch nicht wettgemacht werden. Auch ökonomisch liegt Corona also noch nicht hinter uns. Der Aufholprozess ist ein mühsamer Weg, der durch wachstumsfreundliche Wirtschaftspolitik in Land und Bund geebnet werden muss.“
„Im vierten Quartal haben sich die Wachstumsaussichten deutlich eingetrübt. Die aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie konnten dabei noch nicht berücksichtigt werden“, sagte Prof. Dr. Bernhard Boockmann vom IAW. Die IAW-Prognose basiert auf einem Modell, das in Zusammenarbeit mit der Universität Hohenheim mit Förderung des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus entwickelt wurde.
Die Ministerin wies darauf hin, dass die erfreulich hohe Wachstumsrate des zu Ende gehenden Jahres nicht den Blick dafür verstellen dürfe, dass das Land von der Rezession des Vorjahres überdurchschnittlich stark betroffen gewesen sei. Insofern handele es sich zum Gutteil um eine erwartbare Gegenbewegung, nicht um einen besonders dynamischen Aufschwung. Zum anderen zeige die unterjährige Entwicklung eine deutliche Abflachung in der zweiten Jahreshälfte 2021. Schon das dritte Quartal 2021 wies im Land ein schwächeres Wachstum auf als im Bund, für das vierte Quartal zeichnet sich ein Rückgang ab. Dieser sei bedingt durch Engpässe und zum Teil kräftige Preissteigerungen bei wichtigen Vorleistungsgütern und Rohstoffen, aber auch durch die coronabedingten Einschränkungen, die vor allem im Gastgewerbe und Einzelhandel deutliche Spuren hinterlassen
Für den Beginn des Jahres 2022 prognostiziert das IAW Tübingen nur eine konjunkturelle Seitwärtsbewegung. „Aus dem Winterhalbjahr ist damit kein konjunktureller Rückenwind für 2022 zu erwarten. Wir gehen aber davon aus, dass spätestens im 2. Halbjahr die Konjunktur wieder Fahrt aufnimmt, so dass im Jahresergebnis 2022 ein reales Wirtschaftswachstum im Land von rund drei Prozent erreichbar sein müsste“, resümierte die Ministerin. Damit würde das Vorkrisenniveau Ende 2022 wieder erreicht werden. Die Ministerin wies auf die vielfältigen Risiken für die konjunkturelle Erholung hin: So sei es für die stark außenwirtschaftlich orientierte Wirtschaft Baden-Württembergs wesentlich, dass sich die nach wie vor unter Stress stehenden internationalen Lieferketten wieder entspannen. Als nicht zu unterschätzen bezeichnete die Ministerin auch die Risiken einer mittelfristig höheren Inflation.
Die prognostizierte Entwicklung zeige, dass die konjunkturelle Erholung kein Selbstläufer sei, sondern wirtschaftspolitisch weiter flankiert werden müsse, insbesondere durch wachstumsfreundliche Rahmenbedingungen. Allein der private Investitionsbedarf zur Bewältigung der ökologischen Transformation der Wirtschaft sei riesig. Die Unternehmen seien bereit und in der Lage, diese Herausforderungen zu stemmen. Die Fördermaßnahmen der Landesregierung seien darauf ausgelegt, private Investitionen in Digitalisierung und Klimaschutz zu mobilisieren. Beispielhaft nannte die Ministerin das Investitions- und Innovationsförderprogramm InvestBW, das Leuchtturmprojekt Innovationspark KI und die Digitalisierungsprämie zur Förderung von Digitalisierungsprojekten sowie Maßnahmen zur Verbesserung der IT-Sicherheit in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU).
Darüber hinaus bräuchten die Unternehmen vor allem die Unterstützung durch geeignete Gesetze und Rahmenbedingungen. Hier richtete Hoffmeister-Kraut auch einen klaren Appell an die neue Bundesregierung: „Ich fordere die Bundesregierung auf, die mehrfach angekündigten ‚Superabschreibungen‘ nun rasch umzusetzen. Außerdem sollte auch der steuerliche Verlustvortrag angesichts der im internationalen Vergleich langsameren Erholung Deutschlands erhöht und flexibilisiert werden“, forderte die Ministerin.