Zum Beginn des neuen Ausbildungsjahres gibt es mit über 11.300 unbesetzten Ausbildungsplätzen einen bedauerlichen neuen Höchstwert. Um mehr junge Menschen für eine berufliche Ausbildung zu gewinnen, müssen wir die berufliche Orientierung von Schülerinnen und Schülern zügig verbessern.
„Junge Menschen sollen eine Ausbildung wieder als echte Chance für ihre berufliche Zukunft begreifen. Dazu wollen wir die Schülerinnen und Schüler für die berufliche Orientierung besser und verbindlicher als bisher erreichen. Wir haben nach wie vor ein Defizit in der Berufsorientierung, das zu großen Teilen auf die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie zurückzuführen ist. Darum wollen wir als Ausbildungsbündnis gemeinsam mit dem Kultusministerium das bestehende Landeskonzept ‘Berufliche Orientierung‘ konkretisieren und die Umsetzung verbessern. Darauf haben wir uns heute im Ausbildungsbündnis verständigt“, sagte Arbeits- und Wirtschaftsministerin Dr. Hoffmeister-Kraut am 21. November anlässlich des 50. Spitzengesprächs des Ausbildungsbündnisses in Stuttgart.
„Für eine digitale und nachhaltige Wirtschaft und die Klimawende brauchen wir beruflich gut qualifizierte Fachkräfte. Diese Themen sind jungen Menschen wichtig und liegen ihnen. In Verbindung mit dem hohen Praxisbezug bietet eine berufliche Ausbildung also große Chancen und Entwicklungsperspektiven für unsere Jugendlichen“, betonte Hoffmeister-Kraut. Gleichzeitig seien die Ausbildungsmarktzahlen eindeutig: Es seien ausreichend Ausbildungsplätze vorhanden, die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber gehe allerdings weiter zurück. „In der Konsequenz bleiben zu viele Ausbildungsplätze unbesetzt und viele Unternehmen sind händeringend auf der Suche nach Nachwuchsfachkräften. Zum Beginn des neuen Ausbildungsjahres gibt es mit über 11.300 unbesetzten Ausbildungsplätzen einen bedauerlichen neuen Höchstwert. Um dem entgegenzuwirken, müssen wir die berufliche Orientierung von Schülerinnen und Schülern weiter verbessern und zwar möglichst zügig, aber auch systematisch, abgestimmt und nachhaltig“, zeigte sich die Ministerin überzeugt.
„Die Entscheidung, was man nach der Schule macht, gehört zu den wichtigsten Entscheidungen, die Jugendliche für sich treffen. An den Schulen werden sie dabei bereits durch eine Vielzahl von Maßnahmen unterstützt, zum Beispiel durch Ausbildungsbotschafter, die ihnen praktische Einblicke in die Berufswelt geben, oder unsere Initiative BO durchstarten!“, sagte Sandra Boser, Staatssekretärin und Beauftragte für Digitalisierung im Kultusministerium. Ihr liege die Vorbereitung der Jugendlichen auf dem Weg in eine digitale berufliche Zukunft besonders am Herzen: „Der digitale Wandel bedeutet vielfältige Veränderungen innerhalb unserer Gesellschaft. Er hat und wird neue Arbeitsfelder schaffen, was der Berufsausbildung einen neuen Stellenwert gibt.“
Erfolgreiche Initiative Ausbildungsbotschafter wird fortgesetzt
Um mehr junge Menschen für eine berufliche Ausbildung zu gewinnen, müssten bestehende erfolgreiche Maßnahmen gestärkt und mit neuen Ansätzen der beruflichen Orientierung verzahnt werden. Sehr gut bewährt habe sich die Initiative Ausbildungsbotschafter, die bereits zweimal bundesweit ausgezeichnet wurde und vom Wirtschaftsministerium gefördert wird. Damit wurden bereits mehr als 500.000 Schülerinnen und Schüler erreicht. „Gerade nach über zwei Jahren, in denen die Berufsorientierung durch Corona eingeschränkt war, ist es wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler aus erster Hand von Azubis Einblicke in eine Ausbildung bekommen. Deshalb setzen wir unsere erfolgreiche Initiative Ausbildungsbotschafter bis mindestens Mitte 2024 fort. Dafür stellen wir weitere 1,1 Millionen Euro für 20 Vollzeitstellen der regionalen Koordinatoren sowie eine Leitstelle zur Verfügung“, kündigt die Ministerin an. Ausbildungsbotschafterinnen und Ausbildungsbotschafter sind Auszubildende, die an allen allgemeinbildenden Schulen – einschließlich der Gymnasien – den Schülerinnen und Schülern ihre Berufe auf Augenhöhe vorstellen und die Chancen einer betrieblichen Ausbildung aufzeigen. Die Schuleinsätze werden auch in digitalen Formaten angeboten. Ausbildungsbotschafterinnen und Ausbildungsbotschafter geben zudem als Azubi-Influencer auf Instagram (@gutausgebildet) authentische Einblicke in ihren Ausbildungsalltag. Auch Beschäftigte und Führungskräfte aus der Wirtschaft, die ihre berufliche Karriere mit einer Berufsausbildung begonnen haben, informieren als Senior-Ausbildungsbotschafter auf Elternabenden über die Perspektiven, die sich mit einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung bieten.
Ausbildungsmarktzahlen zum Start des aktuellen Ausbildungsjahres (Stichtag 30. September 2022):
Die Schere am Ausbildungsmarkt geht weiter auseinander: 79.640 Ausbildungsstellen (Plus 7,4 Prozent zum Vorjahr) stehen 50.695 gemeldete Bewerberinnen und Bewerber (Minus 3,1 Prozent zum Vorjahr) gegenüber. 11.357 Stellen und damit 1.183 mehr als im Vorjahr blieben unbesetzt.
1.010 und damit weniger im Vergleich zum Vorjahr gemeldete Bewerberinnen und Bewerber blieben unversorgt.
- Die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber ist im Vorjahresvergleich um 3,1 Prozent auf 50.695 erneut gesunken.
- Zum 30. September 2022 suchten noch insgesamt 6.327Jugendliche und junge Erwachsene einen Ausbildungsplatz. Davon blieben 1.010 unversorgt, 9,7 Prozent weniger als im Vorjahr. 5.317 nahmen eine Alternative auf, das sind 18,6 Prozent weniger als im vergangenen Jahr.
- 11.357 unbesetzte Ausbildungsstellen (11,6 Prozent mehr als im Vorjahr) stehen rechnerisch 6.327 Ausbildungsplatznachfragen gegenüber.
Statements der Bündnispartner
Leiter der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit Christian Rauch ergänzte: „Berufsorientierung ist ein kontinuierlicher, mehrjähriger Prozess, bei dem die Berufsberatung neue Selbstinformationstools wie Check-U und individuelle Beratung für junge Menschen und deren Eltern kontinuierlich anbietet. Mindestens genauso wichtig in diesem Prozess sind ausreichend Praktikumsangebote und Zeit dafür sowie der Einfluss der Eltern. Viele Berufsbilder haben sich über die Jahre grundlegend verändert. Sich von der Realität in den einzelnen Berufen als Jugendlicher, aber auch als Elternteil, einen Eindruck zu verschaffen, kann durch nichts ersetzt werden.“
UBW-Vizepräsident Thomas Bürkle: „Flächendeckend verzeichnen unsere Betriebe in allen Branchen und Größenklassen große Schwierigkeiten, genügend Bewerberinnen und Bewerber für die angebotenen Ausbildungsplätze zu finden. Nach den Corona-bedingten Lockdowns brauchen wir dringend einen Neustart der beruflichen Orientierung in allen Schularten. Dabei muss es auch niedrigschwellige Angebote wie zum Beispiel Kennenlern-Praktika geben, mit denen wir Schülerinnen und Schüler sowie Ausbildungsbetriebe barrierefrei zusammenbringen können. Für uns in der Wirtschaft sind die Schulen unverzichtbare Partner in der beruflichen Orientierung – und umgekehrt sollten die Schulen die Unternehmen als unverzichtbare Partner wahrnehmen.“
Kai Burmeister, Vorsitzender DGB Baden-Württemberg: „Auch wenn die aktuelle Ausbildungssituation vergleichsweise entspannt erscheinen mag, stehen viele Jugendliche vor zahlreichen Hürden beim Einstieg ins Arbeitsleben. Dieser gelingt nur, wenn das Angebot an bedarfsgerechten Ausbildungsplätzen ausreichend groß ist. Noch immer fallen zu viele Jugendliche durch den Rost. Jede und jeder sechste junge Mensch zwischen 20 und 34 Jahren hat keinen Berufsabschluss. Das ist für den individuellen Lebensweg eine große Bürde. In Zeiten von Fachkräfteengpässen geht es jetzt um Lösungswege. Alle mitzunehmen muss das Leitbild einer zielgerichteten Ausbildungspolitik sein. Mehr Berufsorientierung in allen weiterführenden Schulen ist wichtig für einen gelingenden Berufsstart. Sie ist ein Schlüssel, um die zugesagte Ausbildungsgarantie zu verwirklichen. Aktuell wird jeder vierte Ausbildungsvertrag vorzeitig aufgelöst. Alle Verantwortlichen müssen nun die Qualität der Ausbildung in Betrieb und Schule in den Blick nehmen. Hierzu gehören gute Arbeitsbedingungen sowie Beratungen vor und während der Ausbildung. Zur Berufsorientierung gehört auch junge Menschen über ihre Rechte im Arbeitsleben zu informieren.“