Beim Spitzengespräch zur Ausbildungssituation haben die Partner des baden-württembergischen Ausbildungsbündnisses heute (11. November) in Stuttgart über den Ausbildungsmarkt 2019 diskutiert. Arbeits- und Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, die das Spitzengespräch leitete, sagte: „Der Ausbildungsmarkt zeigt keine Krisenanzeichen. Die Unternehmen wollen ausbilden und die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze ist gestiegen. Leider gelingt es immer weniger, alle Ausbildungsplätze zu besetzen.“ So sei die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge zum 30. September 2019 gegenüber dem Vorjahr in Industrie und Handel um 700 und im Handwerk um 500 zurückgegangen. Sowohl die unbesetzten Ausbildungsstellen als auch die unversorgten Bewerberinnen und Bewerber zeigten, dass die Passungsprobleme auf dem Ausbildungsmarkt eine Herausforderung blieben, so Hoffmeister-Kraut.
Sehr zufrieden zeigte sich die Ministerin darüber, dass es in diesem Jahr erneut gelungen sei, mehr Jugendliche aus den wichtigsten Fluchtländern in Ausbildung zu integrieren: „Das ist ein großer Erfolg für die Fachkräftesicherung und für die gesellschaftliche Integration, zu dem die Partner des Ausbildungsbündnisses und das Engagement vor Ort beigetragen haben.“ Zum Start des Ausbildungsjahres im Herbst 2019 liege die Zahl der neuen Ausbildungsverträge mit Auszubildenden aus den acht Hauptasylherkunftsländern plus Gambia bei 3.068 (Vorjahr: 2.911). Diese jungen Menschen verteilten sich zu 56,3 Prozent auf das Handwerk und zu 43,7 Prozent auf Industrie und Handel (Quellen: Baden-Württembergischer Industrie- und Handelskammertag, Baden-Württembergischer Handwerkstag).
„Um die Erfolge zur gesellschaftlichen Integration und Fachkräftesicherung fortzuschreiben, stellt das Wirtschaftsministerium ab 2020 weitere 3,6 Millionen Euro für 42 ‚Kümmerer‘-Vollzeitstellen bereit“, kündigte die Ministerin an. Auch in den kommenden zwei Jahren werden sie auf dem Weg in Ausbildung begleiten und Unternehmen beraten: „Wir weiten unser Angebot auf alle Neuzugewanderten aus. Auch Neuzugewanderte aus der EU und aus Drittstaaten können Unterstützung erhalten.“ Mit dem auf Bundesebene verabschiedeten neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz werde die Zuwanderung aus Drittstaaten an Bedeutung gewinnen. „Darauf bereiten wir uns mit der Ausweitung unseres Förderangebots vor“, betonte Hoffmeister-Kraut.
Zur aktuellen Ausbildungsmarktsituation legte die Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit ihre Ausbildungsbilanz 2019 (Stichtag 30. September 2019) vor:
- Die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber insgesamt hat sich – aufgrund der weiterhin rückläufigen Zahl an Schulabgängen – mit 63.815 im Vergleich mit dem Vorjahr um 3,7 Prozent verringert.
- Die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen ist dagegen im Vorjahresvergleich um 0,9 Prozent auf 82.823 erneut leicht angestiegen.
- 1.047 Bewerberinnen und Bewerber blieben vollständig unversorgt, 1,4 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Zahl derer, die eine Alternative angenommen haben, aber weiterhin nach einem Ausbildungsplatz suchen, ist um acht Prozent auf 7.529 zurückgegangen. Damit suchten zum 30. September 2019 noch insgesamt 8.576 Jugendliche und junge Erwachsene einen Ausbildungsplatz.
- Den 8.661 unbesetzten Ausbildungsstellen (3,5 Prozent weniger als im Vorjahr) stehen rechnerisch 8.576 Ausbildungsplatznachfragen gegenüber.
Es gibt somit 85 mehr unbesetzte Ausbildungsstellen als Ausbildungsnachfragen.
- Wie bereits im Vorjahr mündeten 52,2 Prozent aller Bewerberinnen und Bewerber in eine Berufsausbildung ein.
- Die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber mit Fluchthintergrund ist um 504 (10,1 Prozent) auf 4.490 zurückgegangen. Davon mündeten mit 1.797 rund 40 Prozent in eine Berufsausbildung ein.
„Der Ausbildungsmarkt in Baden-Württemberg ist nach wie vor ein Bewerbermarkt“, fasst Christian Rauch, Leiter der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit, zusammen. „Auf 100 betriebliche Ausbildungsstellen kommen rein rechnerisch 79 Bewerberinnen und Bewerber.“
Gemeinsame Erklärung zu Bildungspartnerschaften zwischen Schulen und Unternehmen
Als Schwerpunktthema des heutigen Spitzengesprächs standen Bildungspartnerschaften zwischen Schulen und Unternehmen als ein wichtiges Instrument der beruflichen Orientierung im Fokus: „Bildungspartnerschaften bieten die große Chance, Jugendliche und Ausbildungsbetriebe zusammen zu bringen und so möglicherweise ein Ausbildungsverhältnis vorzubereiten“, zeigte sich die Ministerin überzeugt. Darum sei es wichtig, die vor zehn Jahren von Land und Wirtschaft ins Leben gerufenen Bildungspartnerschaften noch weiter auszubauen und für neue Herausforderungen wie die Digitalisierung weiterzuentwickeln. Die Ministerin appellierte an die Unternehmen im Land, sich im Rahmen von Bildungspartnerschaften noch mehr zu engagieren: „Gerade kleine und mittelständische Unternehmen können so Einblicke in ihre vielfältigen Ausbildungsaktivitäten geben und frühzeitig mit potenziellen Auszubildenden in Kontakt kommen.“
Ein Ziel des Ausbildungsbündnisses 2019 – 2022 ist es, berufliche Orientierung systematisch umzusetzen. Dazu haben die Partner des Bündnisses heute in einer gemeinsamen Erklärung vereinbart, die Bildungspartnerschaften zwischen Schule und Unternehmen weiter auszubauen. In einem Ideenpapier wurde außerdem festgehalten, wie die Bildungspartnerschaften konkret initiiert und in der Praxis innovativ weiterentwickelt werden können. Der damit vorliegende Instrumentenkoffer diene den Schulen und Unternehmen vor Ort dabei, neuartige Formate anzuwenden – vom Schüler- und Azubiwettbewerb zur Digitalisierung über Bildungspartner-Hopping für Lehrkräfte bis zu Schülerinnen und Schüler als Impulsgeber für das Azubi-Marketing in kleinen und mittleren Unternehmen oder Berufserkundungstouren mit Eltern in Unternehmen.
Einigkeit bestand zwischen den Bündnispartnern darüber, dass Bildungspartnerschaften sehr geeignet seien, um das „Matching“ zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt zu verbessern, indem sich Jugendliche und Ausbildungsbetriebe frühzeitig kennenlernen können. So gut wie jede allgemeinbildende weiterführende Schule in Baden-Württemberg hat zwischenzeitlich mindestens eine Bildungspartnerschaft. Sie können in der Praxis durch Betriebserkundungen und Praxiserfahrungen für Schülerinnen und Schüler, Betriebspraktika für Lehrkräfte, Techniktage, Mädchen-Technik-Projekte, gemeinsame Projekte von Schülerinnen und Schülern mit Auszubildenden, Präsentationen von Unternehmensmitarbeitenden im Regelunterricht sowie Maßnahmen zur Berufsorientierung wie Bewerbungstrainings, Assessmentverfahren oder Ausbildungsbotschafter umgesetzt werden.
Zitate der Bündnispartner
„Bildungspartnerschaften zwischen Schulen und Unternehmen sind eine Erfolgsgeschichte. Sie helfen bei der beruflichen Orientierung sowie der ökonomischen Bildung und stärken die MINT-Fächer an den Schulen“, sagte Kultusstaatssekretär Volker Schebesta MdL und ergänzte: „Schülerinnen und Schüler kommen dank der Bildungspartnerschaften früh in Verbindung mit der Wirtschaft – und davon profitieren am Ende alle. Die Jugendlichen, weil sie frühzeitig herausfinden können, was ihnen liegt. Die Unternehmen, weil sie besser die für sie passenden Mitarbeiter finden können. Wir als Gesellschaft, weil die Schülerinnen und Schüler als Persönlichkeiten gestärkt werden und ein guter Übergang in Berufe, in denen sie ihre Talente einbringen können, auch unserem Innovationsland nutzt. Daher ist es erfreulich, dass wir die Bildungspartnerschaften weiter ausbauen und dank des Fachtags vom Mai zahlreiche innovative Impulse vorliegen, wie diese weiterentwickelt werden können.“
„Bildungspartnerschaften ermöglichen jungen Menschen praktische Einblicke, die unerlässlich sind für eine fundierte Entscheidung bei der Berufswahl“, betont Christian Rauch, Leiter der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit.
„Wir brauchen gut ausgebildete Fachkräfte in modernen Berufen, wenn wir als führende Wirtschaftsnation bestehen wollen“, sagte Karl Schäuble, Vizepräsident der Arbeitgeber Baden-Württemberg. „Es sind die Sozialpartner der jeweiligen Branchen, die an der Modernisierung der Berufe arbeiten. Diese Berufsbilder bieten den jungen Menschen tolle Optionen und Karrieremöglichkeiten. Aber es gelingt uns noch nicht ausreichend, den Schülerinnen und Schülern das alles nahe zu bringen. Umso wichtiger ist es, die Bildungspartnerschaften auszubauen und weiterzuentwickeln.“
Gabriele Frenzer-Wolf, stellvertretende DGB-Vorsitzende: „Wir haben in Baden-Württemberg mehr als nur ein Passungsproblem. Die umfassende Ausbildungsbilanz des Bundesinstitutes für Berufsbildung (BBiB) für 2018 zeigt, dass von 107.000 Ausbildungsinteressierten mehr als 31.000 keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. Das heißt, es müssen deutlich mehr Betriebe ausbilden. Zudem sollten Land und Arbeitgeber ein kostenfreies, landesweites Azubiticket für den öffentlichen Nahverkehr einführen. Gleiches gilt für den Bau von Azubiwohnheimen. Hier sollten Arbeitgeber in Zusammenarbeit mit den Kommunen Wohnraum speziell für Azubis anbieten. Dies würde den Radius der jungen Menschen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz deutlich erweitern.“