Das Wirtschaftsministerium hat am 30. Mai 2022 den Fachtag „Gemeinsam gegen Menschenhandel und Arbeitsausbeutung“ ausgerichtet. Im Mittelpunkt des Fachtags stand die Vernetzung der beteiligten Institutionen und Behörden.
„Wir gehen gemeinsam gegen Arbeitsausbeutung vor und stehen für menschenwürdige Arbeitsbedingungen für alle ein. Werden Arbeitsstandards unterlaufen oder wird rechtswidrig gehandelt, muss das aufgedeckt und konsequent verfolgt werden. Die Opfer brauchen kompetente Beratung und die bestmögliche Unterstützung“, sagte Ministerialdirektor Michael Kleiner. „Das Thema Menschenhandel zum Zwecke der Arbeitsausbeutung ist sehr komplex. Eine Vielzahl an Behörden sind bei der Aufklärung solcher Fälle beteiligt, sodass eine gute Vernetzung unerlässlich ist“, erklärte Kleiner.
Für das Bündnis Faire Arbeitsmigration sagte die stellvertretende DGB-Landesvorsitzende Maren Diebel-Ebers: „Arbeitsausbeutung geht uns alle an. Jeder Fall ist für die Betroffenen eine persönliche Katastrophe, destabilisiert die Ordnung auf dem Arbeitsmarkt und verzerrt den Wettbewerb. Als Gewerkschaften pochen wir auf gute Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten im Land – egal, ob sie aus der Ukraine geflüchtet sind oder als Erntehelfer/-in auf unseren Feldern arbeiten. Es braucht wirkungsvolle und flächendeckende Kontrollen genauso wie niederschwellige Beratungsmöglichkeiten.“
Charakteristisch für Menschenhandel zum Zwecke der Arbeitsausbeutung ist, dass der Mensch und seine Arbeitskraft auf Grund von Zwang, Täuschung oder einer Notlage und der daraus resultierenden Abhängigkeit ausgebeutet wird. Die Betroffenen befinden sich häufig in der Lage, ihre Arbeitskraft ohne angemessene Gegenleistung oder unter extrem schlechten Arbeitsbedingungen einsetzen zu müssen. Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung findet verdeckt in verschiedenen Branchen statt, beispielsweise im Bausektor, in der Pflege- und Reinigungsbranche, in der Landwirtschaft, der Logistik oder in der Fleischproduktion. Fehlende Sprach- und Rechtskenntnisse, Hürden beim Zugang zum regulären Arbeitsmarkt sowie aufenthaltsrechtliche Bestimmungen können Zwangslagen begünstigen, aber auch Betroffene daran hindern, ausbeuterische Arbeitssituationen zu verlassen.
„Es ist uns aber auch wichtig, deutlich zu machen, dass keine Branche unter einen Generalverdacht gestellt wird. Die weit überwiegende Zahl der Arbeitgeber im Südwesten verhalten sich selbstverständlich rechtskonform und den Beschäftigten gegenüber fair“, betonte Kleiner.
Leitfaden für die Kooperation zwischen Behörden und Fachberatungsstellen
Über Beratungsstellen werden immer wieder Fälle bekannt, in denen die rechtlichen Grundregeln eines Arbeitsverhältnisses nicht eingehalten werden. Betroffene werden etwa unangemessen oder gar nicht entlohnt. Weitere Merkmale von Arbeitsausbeutung sind dubiose Vertragsvereinbarungen oder das Fehlen eines schriftlichen Arbeitsvertrages. Dabei werden Betroffenen sowohl Ansprüche aus der Sozialversicherung als auch Schutzrechte wie Arbeitszeit- und Arbeitsschutzregelungen oder Mindestlohnbestimmungen, etwa durch die Vortäuschung von selbständigen Auftragsverhältnissen, illegal vorenthalten. Für die Unterbringung oder den Transport von der Unterkunft zur Arbeitsstätte wird auch beispielsweise ein unverhältnismäßig hoher Betrag vom Lohn abgezogen. Eine allgemeingültige Definition von Arbeitsausbeutung gibt es nicht, vielmehr besteht ein breites Spektrum an Ausbeutungsformen.
Die Landesregierung Baden-Württemberg hatte sich bereits im vorangegangenen Koalitionsvertrag verpflichtet, entsandte Beschäftigte vor schlechten Arbeitsbedingungen zu schützen und sich zum Ziel gesetzt, einen Runden Tisch „Gemeinsam gegen Menschenhandel und Arbeitsausbeutung“ einzusetzen. Das Wirtschaftsministerium hat diesen Runden Tisch im Jahr 2018 ins Leben gerufen, um mit den beteiligten Ressorts[1] und Institutionen[2] Verbesserungen bei der Prävention und Intervention zu erreichen.
Die Beteiligten des „Runden Tisches“ haben im Jahr 2019 einen Leitfaden für die Kooperation zwischen Behörden und Fachberatungsstellen in Baden-Württemberg erarbeitet. Der Leitfaden wurde auf der Abschlussveranstaltung des Runden Tisches im Herbst 2019 vorgestellt. Zudem haben sich die Beteiligten auf eine Gemeinsame Erklärung geeinigt. Darin wurde unter anderem vereinbart, dass das Wirtschaftsministerium gemeinsam mit dem Bündnis Faire Arbeitsmigration einen Fachtag zum Thema ausrichtet.
[1] Wirtschaftsministerium, Finanzministerium, Innenministerium, Justizministerium sowie Sozialministerium.
[2] Beratungsstelle Faire Mobilität, Bündnis Faire Arbeitsmigration, Deutsche Rentenversicherung, Deutscher Gewerkschaftsbund, Generalzolldirektion sowie die Hauptzollämter Stuttgart, Karlsruhe, Ulm, Singen, Lörrach und Heilbronn, Kommunale Landesverbände, Landeskriminalamt, Regierungspräsidium Stuttgart/Gewerbeaufsicht, Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit, Staatsanwaltschaft Stuttgart, Steuerfahndung sowie UBW/Unternehmer Baden-Württemberg.