Daten aus dem All helfen bei der Bewältigung des Klimawandels. Insbesondere für die Sicherheit und die Verteidigungsfähigkeit ist die Luft- und Raumfahrt von zentraler Bedeutung. Baden-Württemberg treibt seit 2023 als ‚THE aerospace LÄND‘ die Stärkung der Branche kontinuierlich voran. Der Ministerrat hat in seiner Sitzung am Dienstag (13. Mai) daher die Entwicklungen in der Branche diskutiert und auf zwei Jahre der Luft- und Raumfahrtstrategie zurückgeblickt.
„Die Luft- und Raumfahrtbranche ist seit Jahren Technologieschrittmacher für zahlreiche Wirtschaftsbereiche. Weltraumgestützte Infrastrukturen, dazu zählen insbesondere Navigation, Kommunikation und Erdbeobachtung, sind für ein sicheres und souveränes Europa unerlässlich. Wachsende geopolitische Spannungen und die Neuorientierung von langjährigen Verbündeten zwingen uns, hier noch kraftvoller voranzugehen. Zugleich ergeben sich auch Beschäftigungs- und Wachstumschancen, die es vor dem Hintergrund der strukturellen Veränderungen der Industrie im Land zu nutzen gilt. Mit unserer Landesstrategie ‚THE aerospace LÄND‘ bündeln wir seit zwei Jahren unsere Aktivitäten für einen starken Luft- und Raumfahrtstandort Baden-Württemberg“, so Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Anschluss an die Sitzung des Ministerrats.
Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus, erklärte: „Die Luft- und Raumfahrt setzt Impulse in den Themenfeldern Leichtbau, Ultraenergieeffizienz, Objektpositionierung sowie Navigation. Gerade die Raumfahrt erschließt zudem durch ihre Datendienste ein nahezu unendliches Potenzial für neue Geschäftsideen und spielt damit auch zunehmend in der Gründerszene eine bedeutende Rolle. Im Rahmen unserer Luft- und Raumfahrtstrategie denken wir zudem Dual-Use, und damit auch Sicherheit und Verteidigung, von Anfang an aktiv mit. Vor dem Hintergrund der weiteren geopolitischen Verschärfungen war dies der richtige Ansatz. Als Land sind wir hier breit aufgestellt: Das Produktportfolio unserer Unternehmen reicht von Lenkflugkörpern und Radartechnik über Flugzeugsystemen und Beobachtungssatelliten bis hin zu Satellitenkommunikationssystemen. Alles Bereiche der Luft- und Raumfahrt, in denen wir in Baden-Württemberg eine führende Stellung einnehmen. Die Vernetzung der Akteure aus Forschung und Wirtschaft über diese einzelnen Projekte hinweg schafft die Grundlage, um die Luft- und Raumfahrt in Baden-Württemberg nachhaltig und erfolgreich aufzustellen.“
Wissenschaftsministerin Petra Olschowski sagte: „Die Luft- und Raumfahrtforschung hat in den vergangenen Jahren für die zentralen Zukunftsthemen wie Cybersicherheit, Kommunikation, Klimaschutz und Mobilität enorm an Bedeutung gewonnen. Die explizite Nennung des Themas Raumfahrt im neu zugeschnittenen Bundesforschungsministerium spiegelt das wider. Baden-Württemberg ist mit seiner exzellenten Luft- und Raumfahrtforschung sowie der Landesstrategie bereits bestens aufgestellt. ‚THE aerospace LÄND‘ wird in den weiteren Überlegungen des Bundes eine wichtige Rolle spielen müssen.“
Verkehrsminister Winfried Hermann erklärte: „Den Luftverkehr klimafreundlich zu machen, ist dringend notwendig. Es ist aber auch eine große Herausforderung. Daher fördert das Verkehrsministerium insbesondere die Forschung und Entwicklung nachhaltiger Kraftstoffe. Es geht um den Einsatz von Sustainable Aviation Fuels (SAF) und Wasserstoff. Parallel dazu erarbeiten und kommunizieren wir Konzepte, damit der Einsatz von SAF auch in der EU gelingt. Dazu muss die EU bessere und funktionierende Regelungen schaffen. Die von uns erarbeitete Landesstrategie ‚Roadmap reFuels für BW‘ zahlt auch auf die Strategie ‚THE aerospace LÄND‘ ein.“
Aktivitäten im Rahmen der Luft- und Raumfahrtstrategie
Mit der Bestellung von Koordinatoren für Luftfahrt (Herr Prof. Andreas Staudacher) und Raumfahrt (Herr Eckard Settelmeyer) und der Ausrichtung zahlreicher Veranstaltungen in Stuttgart, Berlin und Brüssel wurde seit dem Start der Landesstrategie im Juli 2023 mehr Sichtbarkeit für die Branche geschaffen. Im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz hat Ministerpräsident Kretschmann zudem gemeinsam mit den Regierungschefs der weiteren Bundesländer im Dezember 2024 klare Forderungen an die Bundesregierung zur finanziellen Ausstattung des nationalen Raumfahrtprogramms und der Erhöhung des Budgets bei der europäischen Weltraumagentur ESA gerichtet. Gezielte Maßnahmen der beteiligten Ressorts stärken die Luft- und Raumfahrt entlang der zentralen Fokusbereiche – Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Kooperation.
Hintergrund
Die Luft- und Raumfahrtstrategie wird getragen durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus, das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, das Ministerium für Verkehr und das Staatsministerium Baden-Württemberg. Die 2023 verabschiedete Strategie zielt auf die Bündelung von Maßnahmen, die bessere Vernetzung der Akteure sowie die Schaffung von mehr Sichtbarkeit für die Luft- und Raumfahrt mit Maßnahmen im Umfang von 42 Millionen Euro.
Die Luft- und Raumfahrtbranche gibt jährlich über 17 Prozent ihres Umsatzes für Innovationen aus. Rund 200 Unternehmen in Baden-Württemberg erwirtschaften mit etwa 16.000 Beschäftigten einen Umsatz von über fünf Milliarden Euro.
Die Maßnahmen im Überblick
Maßnahmen im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus
- Testfeld eFliegen BW: Zur Unterstützung der Entwicklung der Luftfahrt hin zum klimaneutralen Fliegen bedarf es geeigneter Testinfrastrukturen. Im Bereich des energieeffizienten, elektrischen und autonomen Fliegens wurden bereits im Rahmen des Projekts Testfeld eFliegen BW an den Flughäfen Mengen-Hohentengen und Lahr geeignete Infrastrukturen aufgebaut.
- Schaffung eines europäischen Testzentrums für sicherheitsrelevante Luftfahrtstrukturen:
Die Entwicklungen im Bereich neuer, klimaneutraler Luftfahrzeugkonzepte erfordern die Überprüfung sicherheitsrelevanter Aspekte auf der Basis neuer Zulassungskriterien der Europäischen Agentur für Flugsicherheit EASA. Das Land unterstützt vorwiegend baden-württembergische Unternehmen durch den Aufbau eines Testzentrums des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), dem „Center for Crash and Impact Test“ (CITE), und den Aufbau entsprechender Kompetenz beim DLR-Institut für Bauweisen und Strukturtechnologie. - Zero Emission: Das Projekt Zero Emission – Wasserstoffstandort Lampoldshausen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt zeigt in besonderer Weise, welche Chancen im breiten Einsatz von Wasserstoff an einem energieintensiven Industriestandort liegen. Das DLR-Institut für Raumfahrtantriebe setzt am Standort Lampoldshausen seit über drei Jahrzehnten Wasserstoff in Prüfständen für Raumfahrtantriebe ein. Mit dem Projekt „Zero Emission“ treibt das Institut nun konsequent seine Technologietransfer-Aktivitäten mit Wasserstoff für die Sektoren Energie und Verkehr voran.
- Integrated Research Platform for Affordable Satellites (IRAS): Im Rahmen des Projekts wurde bereits eine kontinuierliche, gemeinsame Forschung und Entwicklung zwischen Industrie, Universität Stuttgart und angewandten Forschungseinrichtungen aufgebaut. Ein enormes Potenzial für die Raumfahrt wurde durch den Einbezug von Technologien aus anderen Industriebranchen erschlossen. Es ist das Ziel der Landesregierung, diese neue Kultur der Zusammenarbeit zwischen Forschung und Industrie auf der Basis innovativer, sicherer Kooperationsplattformen im Rahmen des Projektes IRAS fortzuführen und weiter auszubauen.
- Zentrum für Green Space Baden-Württemberg: Durch den Einsatz von New-Space-Technologien kann das Land Baden-Württemberg eine Vorreiterrolle im Umwelt- und Klimaschutz und der Ressourceneffizienz auf der Basis von satellitenbasierten Diensten und Geschäftsmodellen einnehmen. Um die Aktivitäten in diesem Bereich gezielt zu bündeln, unterstützt das Land das Institut für Wissensmanagement und Wissenstransfer der IHK Reutlingen beim Aufbau eines „Zentrums für Green Space Baden-Württemberg“. Gezielt werden Maßnahmen gefördert, die die Ökologie, beispielsweise in den Bereichen Mobilität, Energieversorgung, Ernährung und Umweltschutz, sowie das gesellschaftliche Zusammenleben fördern.
- Förderung von Start-ups unter dem Dach der Landeskampagne Start-up BW: Durch innovative Erdbeobachtungsdaten, wie sie zum Beispiel das Start-up constellr bereitstellt, entstehen neuartige Satellitendaten. Diese ermöglichen eine Vielzahl neuer Dienstleistungen in den Bereichen Umwelt- und Klimaschutz, autonomes Fahren oder auch Cybersicherheit. Das Land fördert die Nutzung von Satellitendaten für die Entwicklung von neuen, digitalen Dienstleistungen und Geschäftsmodellen, um Innovationen über die Branchen hinaus voranzutreiben. Hierfür stehen innovativen Start-ups die branchenoffenen Fördermaßnahmen unter dem Dach der Landeskampagne Start-up BW zur Verfügung.
Maßnahmen im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst
Das Wissenschaftsministerium adressiert im Rahmen der Luft- und Raumfahrtstrategie den gesamten Bereich der akademischen Qualifizierung von Studium und Lehre über Wissenschaft und Forschung bis zur Weiterbildung. Hierfür stehen insgesamt über 7,5 Millionen Euro zur Verfügung:
- Im Rahmen der Maßnahme „Fachkräfte-Förderung für die Zukunft der Luft- und Raumfahrt“ erhalten Hochschulen die Möglichkeit, durch innovative Konzepte mehr Studienanfängerinnen und Studienanfänger für luft- und raumfahrtrelevante Studiengänge zu begeistern unter anderem durch die Unterstützung von studienbegleitenden und praxisnahen Projekten.
- Programm „Luft- und Raumfahrt 2050“: Das langfristig angelegte Forschungsprogramm der Universität Stuttgart wird ebenfalls seit 2024 durch das Wissenschaftsministerium gefördert und ergänzt die bereits laufenden Sonderforschungsbereiche „SynTrac – Synergien von hochintegrierten Transportflugzeugen“ und „ATLAS – Fortschrittliche Technologien für Satelliten in sehr geringer Höhe“ der Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik und Geodäsie.
- Fachkräftesicherung: Um das Wertschöpfungspotential im Bereich der Luft- und Raumfahrt in Baden-Württemberg heben zu können, werden auch Fachkräfte aus anderen Branchen in den Blick genommen. Aktuell wird ein Weiterbildungsangebot entwickelt, welches diesen Bedarf deckt. Beteiligt sind die Hochschule Karlsruhe (Federführung), die Universität Stuttgart, die Duale Hochschule Baden-Württemberg sowie die Universität Ulm.
Maßnahmen im Verkehrsministerium
- Aktionsplan reFuels: Bei der beabsichtigten industriellen Anlage zur Weiterverarbeitung von erneuerbar erzeugtem Methanol bei der Mineraloelraffinerie Oberrhein MiRO in Karlsruhe ist weiterhin neben dem fehlenden Förderprogramm auf Bundesebene die EU-Regulatorik eine große Herausforderung. Das Ministerium für Verkehr begegnet dieser Herausforderung mit der Entwicklung eines ressortabgestimmten Aktionsplans reFuels, der Forderungen an die EU-Kommission enthält und mit deren Umsetzung ein Hochlauf von reFuels, SAF und Wasserstoff wirtschaftlicher und attraktiver für Unternehmen und Investoren werden soll. Zudem werden Forschungsaktivitäten weitergeführt, um bei einer Änderung der Rahmenbedingungen sofort starten zu können. So ist mit dem Projekt reFuels-DEMO unter Federführung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) ein großer Schritt bei der Vorplanung einer solchen Anlage gelungen.
- Innovationsplattform InnoFuels: Die Plattform ist bereits im März 2023 mit Unterstützung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr in Höhe von 5,24 Millionen Euro gestartet und läuft bis August 2026. Das bundesweit einmalige Verbundforschungsvorhaben für den Hochlauf erneuerbar erzeugter Kraftstoffe wird von Baden-Württemberg und Hessen unterstützt.
- Potentialanalyse für den Einsatz von Lufttaxis in Baden-Württemberg: Mit einer Potentialanalyse wurde die Advanced Air Mobility (AAM) und deren Einsatzmöglichkeiten im Rahmen eines nachhaltigen Luftverkehrs sowie bezüglich eines Beitrags zur Verkehrswende untersucht.