Konjunktur

Spitzengespräch zur Konjunkturentwicklung

Berechne Lesezeit
  • Teilen
Spitzengespräch Konjunkturentwicklung

Auf Einladung von Wirtschafts- und Arbeitsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut haben sich heute (16. September) in Stuttgart die Spitzen des VDMA Baden-Württemberg, des Arbeitgeberverbands Südwestmetall, der IG Metall Baden-Württemberg, des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags, des Baden-Württembergischen Handwerkstags, der Landesbank Baden-Württemberg und der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit getroffen, um die Konjunkturentwicklung zu analysieren, frühzeitig Handlungsfelder zu identifizieren und über mögliche politische Maßnahmen und passgenaue Instrumente zu beraten. Die Ergebnisse des Spitzengesprächs wurden ein einer gemeinsamen Erklärung festgehalten.

„Seit einem Jahrzehnt erlebt Baden-Württemberg mit seinen starken exportorientierten Leitbranchen eine ununterbrochene Phase des Wirtschaftswachstums und der Beschäftigungszuwächse. Nun deutet alles darauf hin, dass sich diese Phase einem Ende nähert“, konstatierte die Ministerin. „Der Aufschwung ist vorerst vorbei – damit müssen wir noch nicht von einer Krise sprechen, aber wir müssen uns frühzeitig auf schwierigere Zeiten einstellen. Dabei nehmen wir im Bundesländervergleich eine Sonderrolle ein. Denn unsere eigentliche Stärke wird hier zur Achillesferse: mit unseren exportorientierten Kernbranchen beeinflussen uns die derzeitigen negativen außenwirtschaftlichen Faktoren wie der Handelsstreit zwischen China und den USA oder der Brexit in besonderem Maße.“ Erschwerend komme hinzu, dass viele Unternehmen aktuell anspruchsvolle Transformationsprozesse zu meistern hätten, was zu enormen Unsicherheiten führe. Diese einzigartige Überlagerung von konjunkturellen und strukturellen Herausforderungen mache die Situation so komplex. „Deshalb bringen wir mit unserem heutigen und weiteren folgenden Treffen alle wichtigen Akteure an einen Tisch. Als erstes Bundesland ergreifen wir konzertiert die Initiative, um die Weichen von Beginn an richtig zu stellen. Denn wie auch immer der Konjunkturverlauf in den kommenden Monaten sein wird: die Politik muss sich auf verschiedene Szenarien einstellen und jederzeit handlungsfähig sein“, sagte Hoffmeister-Kraut.

Die Ministerin skizzierte das ambivalente Bild, das die gesamtwirtschaftliche Lage im Land momentan abgibt: „Gleichzeitig wachsen zahlreiche Dienstleistungssparten weiterhin solide bis stark, viele Handwerksbetriebe sind sehr gut ausgelastet und wir können von einem anhaltenden Boom in der Bauwirtschaft sprechen.“

Unter den Teilnehmern des Gesprächs herrschte Einigkeit, dass ein Handlungsfeld im Bereich der arbeitsmarktpolitischen Instrumente liege. „Klar ist, dass wir die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld erweitern und erleichtern müssen. Zudem müssen wir den Fokus darauf richten, arbeitsmarktpolitische Instrumente mit attraktiven Angeboten zur beruflichen Weiterbildung zu verknüpfen“, fasste Hoffmeister-Kraut die gemeinsame Position zusammen.

Die Ministerin forderte: „Der Bund hat mit seinem Qualifizierungschancengesetz eine gute Grundlage zur Förderung beruflicher Weiterbildung von Beschäftigten geschaffen. Dennoch müssen in diesem Bereich weitere gesetzliche Änderungen folgen, insbesondere um die berufliche Weiterbildung in Phasen der Kurzarbeit attraktiv auszugestalten.“ Ansatzpunkte könnten die Aussetzung der Verfügbarkeitsregelung beim Kurzarbeitergeld und die Lockerung der Zugangsvoraussetzungen nach dem Qualifizierungschancengesetz sein. Konkret sollte beispielsweise der Mindeststundenumfang abgesenkt und auf die bisher strengen Zertifizierungsgrundsätze verzichtet werden. „Die Vorschläge werden wir nach einer detaillierten Aufarbeitung an den Bundesgesetzgeber adressieren“, kündigte Hoffmeister-Kraut an.

„Zudem müssen wir dafür sorgen, dass neben kurzfristiger Weiterbildungsmaßnahmen im Rahmen von Kurzarbeit auch eine neue Weiterbildungskultur im Land entsteht“, führte die Ministerin weiter aus. Das Land habe dazu eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht, wie zum Beispiel die zielgerichtete Modernisierung der überbetrieblichen Ausbildungsstätten, die Förderung innovativer Fortbildungskonzepte und -inhalte, die Erhöhung der Transparenz auf dem Weiterbildungsmarkt sowie die Steigerung der Weiterbildungsaktivitäten gerade in kleineren und mittleren Unternehmen. Damit solle nicht nur ein Beitrag geleistet werden, um den strukturellen Wandel zu bewältigen, sondern auch, um die Widerstandsfähigkeit gegenüber konjunkturellen Abschwächungen zu erhöhen.

Neben den arbeitsmarktpolitischen Instrumenten müsse sich das Augenmerk in Berlin insbesondere auch auf eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Wachstum und Beschäftigung sowie die Planungssicherheit für anstehende Investitionen richten. Gebot der Stunde sei eine massive Investitionsoffensive. „Wir brauchen zum einen ein Moratorium, um zu verhindern, dass unserer Wirtschaft weitere steuerliche Belastungen aufgebürdet werden. Und damit nicht genug: Es ist höchste Zeit, dass der Bund seine Möglichkeiten nutzt und gezielte steuerliche Entlastungen auf den Weg bringt“, so Hoffmeister-Kraut. Verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten für digitale Innovationsgüter sowie die generelle Wiedereinführung der degressiven Abschreibung seien nur ein Beispiel. Den positiven Signalen aus Berlin, die der Bundeswirtschaftsminister in den Eckpunkten seiner Mittelstandsstrategie gesendet hat, müssten nun schnell Taten folgen. „Außerdem werden wir uns noch forcierter für einen zügigen Bürokratieabbau auf allen Ebenen einsetzen. Vom aktuellen Entwurf des Bürokratieentlastungsgesetzes des Bundes hatte ich mir mehr erhofft. Ich werde mich im weiteren Verfahren dafür einsetzen, dass hier nachgearbeitet wird.“

„Auch das Land wird seinen Beitrag leisten und seine aktive und offensive Strukturpolitik forcieren. Wir werden unseren Unternehmen mit unseren Beratungsangeboten und Förderprogrammen zur Seite stehen, Gründerinnen und Gründer ermutigen und den Transfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft weiter intensivieren“, sicherte die Ministerin ihre Unterstützung zu.

Der Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags, Wolfgang Grenke, betonte: „Die Stimmung in der regionalen Wirtschaft trübt sich immer stärker ein, wie wir aus unserer derzeit laufenden Konjunkturumfrage ersehen können. Die Unternehmen spüren die nachlassende Weltkonjunktur und die zunehmenden Risiken im Welthandel. Metall- und Elektroindustrie sowie Maschinenbau haben deutliche Rückgänge bei den Auftragseingängen sowohl aus dem Ausland als auch aus dem Inland zu verzeichnen. Die Handelskonflikte zwischen USA und China sowie der EU aber auch der drohende No-Deal-Brexit schüren die Verunsicherung, da sie internationale Wertschöpfungsketten massiv beeinträchtigen könnten. Folglich treten die hiesigen Unternehmen bei ihren Investitionsplänen zunehmend auf die Bremse, was den Abwärtstrend in den genannten Industriezweigen weiter verstärkt.“

Dr. Mathias Kammüller, der Vorsitzende des VDMA Baden-Württemberg, betonte: „Nach neun Jahren stabilen Umsatzwachstums verbunden mit einem starken Beschäftigungsaufbau hat sich die Auftragslage im baden-württembergischen Maschinenbau zuletzt deutlich abgeschwächt. Die Branche spürt derzeit eine weltweite Investitionszurückhaltung. Zugleich verlangen strukturelle Herausforderungen wie Digitalisierung und Elektromobilität nach strategischen Antworten.“ Vor diesem Hintergrund werde die Weiterqualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Schlüssel, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und des Standorts zu sichern und zukunftsfähig auszubauen. „Die Einführung eines Transformationskurzarbeitergeldes lehnen wir jedoch ab. Art und Inhalt der Qualifizierung muss Kern der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit bleiben. Die Industrie benötigt vielmehr klare politische Impulse für Wachstum, zum Beispiel durch Bürokratieabbau, mehr Flexibilität beim Thema Beschäftigung und den unermüdlichen Einsatz für offene Märkte“, so Kammüller.

Dr. Stefan Wolf, Vorsitzender des Arbeitgeberverbands Südwestmetall, sagte: „Wir begrüßen es, dass das Ministerium die wichtigsten Wirtschaftsakteure an einen Tisch gebracht hat. Denn wir haben keine Zeit zu verlieren. Die Metall- und Elektroindustrie erlebt derzeit den markantesten wirtschaftlichen Rückgang seit der Finanz- und Wirtschaftskrise vor zehn Jahren. Gleichzeitig sehen sich unsere Unternehmen im Zuge von Digitalisierung und Dekarbonisierung einem massiven technologischen Veränderungsdruck ausgesetzt. Zentral ist deshalb für uns, dass der Wirtschaft jetzt keine weiteren finanziellen Lasten aufgebürdet werden. Vielmehr müssen gezielte steuerliche Entlastungen angegangen werden. Gleichzeitig muss der Bürokratieabbau dringend mit größerem Eifer vorangetrieben werden.“

Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg, führte aus:
„Nach dem Boom trübt sich die Lage in vielen Betrieben derzeit ein. Damit gehen die Unternehmen unterschiedlich um, berichten unsere Betriebsräte. Positiv sind Beispiele, in denen Geschäftsführung, Betriebsrat und IG Metall gemeinsam nach Lösungen suchen. Gerade in rauer werdenden Zeiten steht Sicherheit für die Beschäftigten an erster Stelle. Sorge bereiten uns allerdings Betriebe, in denen das Management an Weiterbildung spart oder die Verlagerung nach Osteuropa anstrebt. Solchen Überlegungen erteilen wir eine klare Absage!

Gemeinsam mit den Beschäftigten fordern wir Lösungen für alle anstelle von Personalabbau. Von den Unternehmen erwarten wir ein klares Bekenntnis zu den hiesigen Standorten und Belegschaften, von der Politik eine aktive Konjunkturpolitik und die Einführung eines Transformationskurzarbeitergelds, das Beschäftigung und Qualifizierung klug verbindet.“

Christian Rauch, Leiter der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit, erläuterte: „Mit dem Qualifizierungschancengesetz und den Regelungen zur Kurzarbeit sind Instrumente vorhanden, um Betriebe bereits heute schnell bei konjunkturellen Auftragsschwankungen und bei der Bewältigung des Strukturwandels zu unterstützen. Die Agenturen für Arbeit stehen dafür beratend jederzeit zur Verfügung.“

Vereinbart wurde die Einrichtung einer „Monitoring-Gruppe“ mit Expertinnen und Experten aller am Spitzengespräch teilnehmenden Partner, um die weitere konjunkturelle Entwicklung beobachten und gemeinsame Vorstellungen über den Einsatz geeigneter Instrumente entwickeln zu können.

Gemeinsame Erklärung (PDF)

Pressefotos finden Sie hier.

Weitere Meldungen

Paragraph auf Europaflagge

Wichtiger Schritt: Verhandlungsabschluss zwischen der EU und der Schweiz

Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus, bezeichnete den am 20. Dezember verkündeten Verhandlungsabschluss zwischen der EU und der Schweiz als „wichtigen Schritt“, dem nun zügig weitere folgen müssten.

Move your idea
Start-up BW

Move Your Idea: Rocket Stabilizer zieht ins Landesfinale ein

Mit dem Gründungswettbewerb „Start-up BW Elevator Pitch“ sucht das Wirtschaftsministerium bereits zum elften Mal nach den einfallsreichsten Geschäftsideen und besten Gründerinnen und Gründern im Land.

Glühbirne
Konjunktur

IAW und Universität Hohenheim legen Konjunkturprognose vor

Das Tübinger Institut für angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) in Zusammenarbeit mit der Universität Hohenheim legte seine aktuelle Konjunkturprognose für Baden-Württemberg vor.

Glühbirne / © seabass creatives / Unsplash
Innenstadtberater

Rund 1,7 Millionen Euro für regionale Innenstadtberater bis Ende 2026

Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus fördert regionale Innenstadtberater in Baden-Württemberg bis Ende 2026 mit weiteren rund 1,7 Millionen Euro.

Start-up BW

„Abnoba“ gewinnt 5. Start-up BW Female Founders Cup

Beim fünften Start-up BW Female Founders Cup am 16. Dezember 2024 haben Gründerinnen und Start-ups von Frauen ihre Geschäftsideen vor Fachjury und Publikum präsentiert.

Quelle: unsplash / dylan-gillis
Betriebliche Weiterbildung

Betriebliche Weiterbildung erstmals wieder auf Vor-Corona-Niveau

Im Auftrag des Wirtschaftsministeriums hat das Tübinger Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung e. V. (IAW) den Bericht „Betriebliche Fort- und Weiterbildung in Baden-Württemberg 2023“ veröffentlicht.

Förderung

Wirtschaftsministerium investiert in wegweisende Halbleitertechnologie

Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg fördert die Weiterentwicklung der Forschungsinfrastruktur des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Festkörperphysik (IAF) in Freiburg mit 4,35 Millionen Euro.

Regional Cup Pforzheim - Gewinner
Start-up BW

Regional Cup Nordschwarzwald: OnlyGreens aus Ispringen zieht ins Landesfinale ein

Mit dem Gründungswettbewerb „Start-up BW Elevator Pitch“ sucht das Wirtschaftsministerium bereits zum elften Mal nach den einfallsreichsten Geschäftsideen und besten Gründerinnen und Gründern im Land.

Virtueller Datenfluss im Web
Förderung

12,7 Millionen Euro Förderung für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt

Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus beteiligte sich im Jahr 2024 mit einer Förderung in Höhe von rund 12,7 Millionen Euro an der Grundfinanzierung des DLR e.V.

Eine Roboterhand tippt auf einem Monitor aus Glas
Förderprojekt

Förderprojekt des Wirtschaftsministeriums startet - Reallabor

Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg fördert ein Reallabor für rechtskonforme Künstliche Intelligenz und Robotik mit 495.000 Euro bis Dezember 2025.

Baden-Württemberg Repräsentanz

Staatssekretär eröffnet neue Räume des Baden-Württemberg-UK-Office in London

Wirtschaftsstaatssekretär Dr. Patrick Rapp ist in das Vereinigte Königreich gereist, um die neuen Räume der Baden-Württemberg Repräsentanz, das Baden-Württemberg–UK-Office, im Stadtteil Middle Temple in London zu eröffnen.

Eine Bildmontage zur Illustration von Künstlicher Intelligenz: Hand zeigt auf ein Gehirn

Förderaufruf: Invest BW - Praxissprints

Im Rahmen von Invest BW fördert das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Praxissprints, um den Technologietransfer im Land zu beschleunigen und Forschungsergebnisse in die Praxis zu überführen.

Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut
Ausbildung

Weitere 4 Mio. Euro für Integration von Zugewanderten in Ausbildung für 2025 und 2026

Das Wirtschaftsministerium verlängert das Kümmerer-Programm für die Jahre 2025 und 2026. Gefördert werden 43,5 Kümmerer-Vollzeitstellen bei 23 Kammern, Bildungsträgern und Landkreisen mit weiteren rund 4 Millionen Euro.

Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg, Sechste Jahresveranstaltung
Gesundheitswirtschaft

Digitalisierung und KI als Wachstumspotenzial für die Gesundheitswirtschaft

Unter dem Motto „Chancen und Herausforderungen für einen vernetzten Gesundheitsstandort“ fand am 05. Dezember in Mannheim im Rahmen der 6. Jahresveranstaltung des Forums Gesundheitsstandort der Fachtag des Wirtschaftsministeriums BW statt.

Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut
Start-up BW

Hohe Nachfrage nach Frühphasenförderung – Start-up BW Pre-Seed

Start-up BW Pre-Seed ist ein Förderprogramm des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus und der L-Bank, mit dem junge Unternehmen in einer sehr frühen Phase ihrer Existenz unterstützt werden.