Es besteht breiter Konsens, dass es so wie bisher auf europäischer Ebene nicht weitergehen könne: „Europa steht am Scheideweg. Wir brauchen eine konsequente Neuausrichtung der europäischen Politik, die Innovation und Wettbewerbsfähigkeit über Bürokratie und Regulierung stellt. Nur so können wir unsere Innovationskraft stärken und unseren Standort sichern“, betonte Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus, zum Auftakt des Wirtschaftsgipfels in Brüssel.
Ein neuer Kurs für Europas Wettbewerbsfähigkeit
Der diesjährige Gipfel fokussiert sich auf vier zentrale Themen, die die Neuausrichtung der EU-Politik definieren: eine wettbewerbsfreundliche Mittelstandspolitik zur Stärkung kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU), Europas wirtschaftliche Handlungsfähigkeit in einem globalen Spannungsfeld, eine industriepolitische Agenda mit klugen Rahmenbedingungen sowie die Zukunft der Automobilbranche im Strukturwandel.
Die baden-württembergische Wirtschaftsministerin fordert zudem, die wirtschaftspolitische Ausrichtung der EU zu korrigieren, denn die EU konzentriert sich zu sehr auf die schwächer entwickelten Regionen – und zu wenig auf starke Regionen wie Baden-Württemberg
„Um schnell und insgesamt innovativer, produktiver und souveräner zu werden, braucht die Europäische Union starke Regionen wie Baden-Württemberg – mit herausragenden Ökosystemen und Unternehmen mit Strahlkraft, die Europa im globalen Wettbewerb voranbringen. Unsere Konkurrenten bei Innovationen und Produktivität sind die USA, China und Asien. Die EU steht in der Verantwortung, die Potenziale der starken Regionen durch die richtigen Rahmenbedingungen freizusetzen“, unterstrich Hoffmeister-Kraut.
Ziel des Wirtschaftsgipfel Baden-Württemberg – EU 2024 ist es, in Brüssel über die Erfahrungen aus der baden-württembergischen Praxis zu informieren und darum zu werben, Rahmenbedingungen zu verbessern, Innovationen zu fördern, Bürokratie abzubauen und faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. „Die Regulierungsdichte in Europa hat ein Maß erreicht, das Innovation und Wachstum hemmt. Wir müssen jetzt Prioritäten setzen: Bestehende Regelungen kritisch prüfen, Bürokratie abbauen und sicherstellen, dass neue Vorgaben die Wettbewerbsfähigkeit fördern, anstatt sie zu bremsen“, erklärte die Wirtschaftsministerin.
Konkret handeln: Baden-Württemberg setzt Impulse
Baden-Württemberg bringt sich aktiv ein, um gemeinsam mit europäischen Partnern zukunftssichere Lösungen zu entwickeln. „Europa braucht starke Regionen, die den Wandel mitgestalten. Jetzt ist die Zeit, klare Prioritäten zu setzen und einen neuen Kurs einzuschlagen. Baden-Württemberg ist bereit, Impulsgeber für diesen Wandel zu sein“, so Hoffmeister-Kraut.
Die Foren des Gipfels beleuchten drängende Herausforderungen, von der Neugestaltung einer europäischen Industriestrategie und der EU-Beihilfepolitik über die Regulierung von Chemikalien wie PFAS, die Anforderungen der Verordnung über Medizinprodukte (Medical Device Regulation, MDR) und die Auswirkungen der Entwaldungsverordnung (EUDR) auf Lieferketten und Handel bis hin zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD), der Einführung des CO₂-Grenzausgleichssystems (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) und der frühzeitigen Überprüfung der CO₂-Flottengrenzwerte in der Automobilbranche.
Engagierte Einbindung der baden-württembergischen Wirtschaft
Die Veranstaltung bringt Vertreterinnen und Vertreter zentraler Organisationen der baden-württembergischen Wirtschaft an einen Tisch: Der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK), HANDWERK BW, der Sparkassenverband Baden-Württemberg, der Baden-Württembergische Genossenschaftsverband, der Bankenverband Baden-Württemberg und Unternehmer Baden-Württemberg (UBW) gestalten den Gipfel aktiv mit.
In Hintergrundgesprächen und öffentlichen Foren diskutieren sie mit Entscheidungsträgern der Europäischen Institutionen die zentralen Herausforderungen und entwickeln gemeinsam Lösungsansätze für eine zukunftsfähige europäische Wirtschaftspolitik.
Stimmen der Partner des Wirtschaftsgipfels Baden-Württemberg – EU 2024:
Dr. Rainer Dulger, Präsident der Unternehmer Baden-Württemberg (UBW): „Europa steht in einem harten internationalen Wettbewerb mit dynamischen Wirtschaftsräumen wie den USA und China. Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU muss deshalb in dieser Legislaturperiode oberste Priorität haben. Dafür braucht es entschlossene Schritte: einen konsequenten Bürokratieabbau, eine Wirtschaftspolitik, die Investitionen in Schlüsseltechnologien wie Künstliche Intelligenz und Quantencomputing gezielt vorantreibt, eine stärkere Integration des Binnenmarkts sowie eine bezahlbare und verlässliche Energieversorgung. Nur eine wirtschaftlich starke EU kann Wohlstand, soziale Sicherheit und Stabilität nachhaltig garantieren – und zugleich eine Führungsrolle in der globalen Transformation einnehmen.“
Carmen Mittler, Vorsitzende des Bankenverbands Baden-Württemberg e.V.: „Seit Jahren besteht Einigkeit, dass ein vertiefter europäischer Kapitalmarkt, mit einem leistungsfähigeren und global wettbewerbsfähigen Finanzsystem – inklusive der Banken – gebraucht wird. Europa benötigt einen Rahmen, der Banken mehr Spielraum für die Kreditvergabe lässt, der Kapitalmarktfinanzierungen erleichtert und Wachstum ankurbelt. Die Kapitalmarktunion ist ein wichtiger Hebel, um Europa wieder nach vorne zu bringen. Nur ein integrierter Kapitalmarkt, der offen und liquide ist wird es Europa ermöglichen, privates Kapital in dem Umfang zu mobilisieren, wie es für die Transformation unserer Wirtschaft benötigt wird.“
Dr. Matthias Neth, Präsident des Sparkassenverbands Baden-Württemberg (SVBW): „Wir kommen nach Brüssel mit dem klaren Appell an die EU, im Rahmen ihrer Kompetenzen alles zu tun, um Unternehmen wettbewerbsfähiger zu machen, und alles zu unterlassen, was stabile Strukturen von Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken schwächt“, so Neth mit Blick auf die immer wieder aufflammende Diskussion um eine gemeinschaftliche Einlagensicherung. „Lokale Retailbanken wie die Sparkassen in Baden-Württemberg stehen für die Transformationsfinanzierung der Wirtschaft bereit. Allerdings brauchen wir und unsere Kundschaft endlich weniger Bürokratie.“
Rainer Reichhold, Handwerk BW-Präsident: „Der diesjährige Wirtschaftsgipfel in Brüssel steht unter besonderen Vorzeichen: Mit Beginn der neuen Legislaturperiode und der neuen Kommission besteht die Chance, einen längst überfälligen Aufbruch in der EU einzuleiten. Die nächsten fünf Jahre sind entscheidend, um unsere Wettbewerbsfähigkeit nicht vollends zu verspielen. Insbesondere bei den zahlreichen Nachweis- und Berichtspflichten braucht es klare und faire Regelungen. Kleine und mittlere Unternehmen dürfen nicht indirekt über Lieferketten oder Kreditentscheidungen belastet werden, Konzernpflichten dürfen nicht durch die Hintertüre auf KMUs abgewälzt werden, und bestehende Vorgaben müssen auf ihre Praxistauglichkeit überprüft und vereinfacht werden. Jetzt geht es darum, mittelstandsfreundliche Politik greifbar zu machen. Deshalb ist der gemeinsame Gipfel mit dem Wirtschaftsministerium in Brüssel so wichtig, bei dem wir die Anliegen des Handwerks deutlich einbringen werden.“
Dr. Jan Stefan Roell, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages: „Die EU braucht eine starke Innovationsstrategie, um im globalen Wettbewerb mit Ländern wie den USA und China zu bestehen. Was unser Mittelstand jetzt benötigt, sind Freiräume für Ideen und Rahmenbedingungen, die Wachstum und Fortschritt ermöglichen. Dazu gehören weniger bürokratische Belastungen, technologieoffene Innovationsförderung und schnellere Zugänge zu Daten und Märkten. Als Unternehmer aus Baden-Württemberg, der ‚Region von Tüftlern und Denkern‘, sage ich: Innovation ist keine Option – sie ist unser Weg in eine erfolgreiche und prosperierende Zukunft in Europa!“
Dr. Ulrich Theileis, Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands e.V.: „Unsere regional verankerten Banken finanzieren als wichtigster Partner für den baden-württembergischen Mittelstand Innovation und Transformation. Damit sie auch weiterhin ihrer Aufgabe als Finanzierungsmotor der Wirtschaft gerecht werden können, dürfen sie nicht überproportional durch Regulatorik eingeschränkt werden. Die Politik muss die Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie die Sparkassen ihren Job machen lassen."
Weitere Informationen zum Wirtschaftsgipfel
Der bereits sechste Wirtschaftsgipfel findet auf Einladung von Ministerin Dr. Hoffmeister-Kraut statt. Er steht in diesem Jahr unter dem Titel „Neuer Kurs für Europas Wirtschaft“.
Weitere Infos zum Wirtschaftsgipfel finden Sie hier: https://wm.baden-wuerttemberg.de/de/wirtschaft/wirtschaftsstandort/baden-wuerttemberg-und-die-eu/wirtschaftsgipfel-baden-wuerttemberg-eu
Bilder zum Wirtschaftsgipfel finden Sie in unserer Mediathek.
Das Positionspapier der Wirtschaftsministerin zum diesjährigen Wirtschaftsgipfel finden Sie unter: hattps://t1p.de/ozjq2