Carbon Management bezeichnet die Abscheidung und Nutzung beziehungsweise die Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoffdioxid, kurz CCU/S (Carbon Capture and Usage/Storage). Ohne den Einsatz der Technologie gelingt es diversen Wirtschaftszweigen nicht, klimaneutral zu werden, allen voran der Zement- und Kalkindustrie. Carbon Management ist daher elementar für den klimaneutralen Umbau – insbesondere der Industrie – bis 2040. Zugleich ergeben sich aus dem Einsatz der Technologie wirtschaftliche Potenziale für das Land. Auch in der Wissenschaft wird die Bedeutung von CCU/S gesehen.
„Wenn wir unsere ambitionierten Klimaziele erreichen und zugleich ein attraktiver Wirtschaftsstandort bleiben wollen, ist es wichtig, dass heute schon nach Möglichkeiten gesucht wird, wie CO2 abgeschieden, gespeichert, transportiert und wiederverwendet werden kann. Mitentscheidend, ob der Hochlauf von CCU/S gelingen kann, wird auch der Aufbau einer CO2-Infrastruktur sein. Es darf hier kein Nord-Süd-Gefälle im Sinne einer zeitlichen Staffelung geben. Zudem sollte der Bund Möglichkeiten prüfen, um eine staatliche Absicherung für den Bau und Betrieb zu gewährleisten“, so Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Anschluss an die Kabinettssitzung.
Thekla Walker, Umwelt- und Energieministerin, betonte: „Priorität hat nach wie vor, CO2-Emissionen zu vermeiden. Ist das nicht machbar, setzen wir auf CCU und CCS als wichtige Bausteine, um die Klimaschutzziele des Landes und insbesondere die Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen. Mit dem Positionspapier gehen wir einen wichtigen Schritt voran.“
Dr. Patrick Rapp, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, sagte: „Wir wollen Produktionsstandorte, Arbeitsplätze und Wertschöpfung im Land halten und zukunftsfest machen. Carbon Management kann den Industrien, die den Ausstoß von Kohlendioxid nicht oder nur schwer vermeiden können, helfen, klimaneutral zu werden. Dafür müssen wir heute die Weichen stellen.“
Maike Schmidt, Vorsitzende des Klima-Sachverständigenrats, sagte: „Der Klima-Sachverständigenrat begrüßt das Positionspapier der Landesregierung ausdrücklich. Das ist ein wichtiger Schritt, um den Industriestandort Baden-Württemberg auch unter den Anforderungen der Netto-Treibhausgasneutralität bis 2040 zu sichern. Dem muss jetzt sehr schnell die Umsetzung folgen, insbesondere bei der Finanzierung und dem Aufbau einer CO2-Infrastruktur, der Technologieerprobung und der Nutzung von abgeschiedenem CO2 zur gleichzeitigen Sicherung von Klimaschutz und Wertschöpfung.“
Dr. Dominik von Achten, Vorstandsvorsitzender Heidelberg Materials, als Vertreter einer besonders betroffenen Branche ergänzte: „Das Bekenntnis der Landesregierung zur Bedeutung von CCU und CCS für die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts und den Klimaschutz ist wegweisend und ein wichtiges Signal für die Zementindustrie. Besonders entscheidend ist der Impuls für den schnellen Aufbau einer CO2-Infrastruktur. Jetzt zählt die Umsetzung, die wir nach Kräften unterstützen.“
Klima-Rangfolge gilt weiterhin
Die Klima-Rangfolge im Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz Baden-Württemberg ist auch weiterhin zu beachten. Das heißt, nur die Treibhausgasemissionen, die sich nicht oder mit verhältnismäßigem Aufwand nicht vermeiden oder verringern lassen, sollen für eine Anwendung von CCU/S in Frage kommen. Das trifft etwa auf die Zement- und Kalkindustrie zu oder auf Anlagen der thermischen Abfallbehandlung. Auch in Teilen der chemischen Industrie und Raffineriestandorten, in der Glas- und Papierindustrie sowie bei der Herstellung von Stahl können technisch unvermeidbare Emissionen entstehen.
Carbon Management birgt wirtschaftliche Potenziale
Das Thema Carbon Management birgt auf Anbieter- und Herstellerseite wirtschaftliche Chancen und regionale Wertschöpfungspotenziale für den Standort Baden-Württemberg. Beispiele sind etwa der Maschinen- und Anlagenbau oder der Bereich GreenTech. Dies gilt insbesondere für die Nutzung von nicht oder schwer vermeidbarem CO2 (CCU). Hier lautet das Motto: Nutzen, was an Emission da ist und sich nicht vermeiden lässt. Für die künftige Versorgung der chemischen Industrie mit Kohlenstoffverbindungen kann CCU eine wichtige Rolle spielen. CCU ist hier ein wichtiges Element eines Kohlenstoffkreislaufes der Zukunft, der beispielsweise durch das Recycling von Kunststoffen oder über eine verstärkte Rückgewinnung und Nutzung des CO2 entsteht.
Startpunkt für breiter angelegten Arbeitsprozess
Das Positionspapier zum Carbon Management ist der Startpunkt für einen breiter angelegten Arbeitsprozess zum Thema Carbon Management in Baden-Württemberg. Das Umweltministerium und das Wirtschaftsministerium werden sich die Federführung bei dem Thema teilen. Jährlich soll es Gesprächsformate auf politischer Ebene mit relevanten Stakeholdern zu Fortschritten und Ausblick zum Carbon Management in Baden-Württemberg geben. Ein Steuerungskreis wird ebenfalls eingerichtet, um das Thema kontinuierlich zu begleiten. Verschiedene Themenfelder sollen gemeinsam mit relevanten Stakeholdern bearbeitet werden und die Landesagentur Umwelttechnik Baden-Württemberg mit einer Geschäftsstelle koordinierende Aufgaben übernehmen.
Benachteiligung des Landes bei der CO2-Infrastruktur vermeiden
Für Baden-Württemberg hat der Anschluss des Landes an eine europaweite CO2-Pipeline-Infrastruktur eine hohe Priorität. Eine Benachteiligung der Industriestandorte in den südlichen Bundesländern gegenüber den nördlicheren Bundesländern ist zu vermeiden. Daher sollte der Aufbau der CO2-Pipeline-Infrastruktur nicht zeitlich gestaffelt von Nord nach Süd erfolgen. Stattdessen sollte der Aufbau parallel an verschiedenen Punkten ansetzen. Der Bau und Betrieb einer CO2-Pipeline-Infrastruktur stellt grundsätzlich eine privatwirtschaftliche Aufgabe dar. Der Bund soll aber die Möglichkeiten prüfen, eine staatliche Absicherung zur Verfügung zu stellen.
Einbettung in Aktivitäten auf Bundes- und EU-Ebene
Die Aktivitäten des Landes im Bereich Carbon Management sind eingebettet in die übergeordneten Rahmenbedingungen auf Bundes- und EU-Ebene, die sich derzeit teilweise noch in Ausarbeitung befinden. Beispielsweise wird erwartet, dass im Rahmen der Carbon Management-Strategie des Bundes eine genaue Definition von unvermeidbaren und schwer vermeidbaren Prozess- und Restemissionen festgeschrieben wird. Diese soll dann auch die Grundlage für den Umgang mit solchen Emissionen in Baden-Württemberg darstellen.
Weitere Untersuchungen für CO2-Speicherung erforderlich
Die Landesregierung begrüßt die durch den Bund geplante Ermöglichung der CO2-Speicherung (CCS) in den deutschen Offshore-Gebieten unter Berücksichtigung der Aspekte des Meeresschutzes und weiterer Nutzungsarten. Für Baden-Württemberg selbst liegt aktuell keine fundierte Bewertung der Potenziale der CO2-Speicherung vor. Die Landesregierung ist weiterführenden Untersuchungen gegenüber aufgeschlossen und wird die Ermittlung der vorhandenen Potenziale schnellstmöglich anstoßen. Die gesellschaftliche Akzeptanz von CCU/S ist von zentraler Bedeutung für ein effektives Carbon Management in Baden-Württemberg. Dies gilt insbesondere für die CO2-Speicherung, aber auch darüber hinaus.
Zahlen, Daten, Fakten
- Baden-Württemberg soll laut Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz Baden-Württemberg (KlimaG BW) bis 2040 eine bilanzielle Netto-Treibhausgasneutralität („Klimaneutralität“) erreichen. Dies wird ohne den Einsatz von CCU/S nicht gelingen. Das hat auch der Klima-Sachverständigenrat Baden-Württemberg im Rahmen seiner Stellungnahmen hervorgehoben.
- In den Zementanlagen wurden landesweit in 2022 zuletzt ca. 3,1 Mio. t CO2 freigesetzt; davon circa 2 Mio. t CO2 prozessbedingt und damit nicht vermeidbar.
Anlage: Positionspapier (PDF)