Die Europäische Kommission möchte die Anwendung der Europäischen Medizinprodukte-Verordnung (MDR) angesichts der aktuellen Corona-Krise um ein Jahr verschieben. Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut begrüßte die Ankündigung. „Das ist ein wichtiges Signal an unsere Medizintechnik-Unternehmen im Land. In der aktuellen Krise sind wir auf ein voll leistungsfähiges Gesundheitssystem angewiesen und müssen die Versorgung von Corona-Patienten mit wichtigen Medizinprodukten gewährleisten. Die Verschiebung kann unsere Unternehmen maßgeblich entlasten und dazu beitragen, dass wir diese schwierige Situation in Europa besser bewältigen können“, sagte die Ministerin heute (26. März) in Stuttgart.
Die Verordnung ist seit Mai 2017 in Kraft und hätte bis zum 26. Mai dieses Jahres umgesetzt werden müssen. Die Europäische Kommission arbeite nun an einem entsprechenden Vorschlag, den sie den europäischen Gesetzgebern Rat und Parlament bis Anfang April unterbreiten werde. Der immense Aufwand bei der Bewältigung der neuen Anforderungen bei der Zulassung von Medizinprodukten sowie der Engpass bei den dafür benannten Stellen und große Unsicherheiten bei der Umsetzung der neuen Regularien stellt auch in Baden-Württemberg viele Unternehmen der Medizintechnikbranche vor große Probleme. „Durch die aktuelle Corona-Krise hat sich die Situation bei der Entwicklung innovativer Medizinprodukte nun noch weiter verschärft. Und die Folgen sind fatal. Es drohen gravierende Versorgungsengpässe für Patienten, die wir uns in dieser schwierigen Zeit alles andere als leisten können“, so die Ministerin. Neue Medizinprodukte blieben aktuell oftmals ohne MDR-Zertifikat und Bestandsprodukte könnten nicht mehr rechtzeitig nach den alten Regelungen rezertifiziert werden.
Auch das Medizintechnik-Cluster Medical Mountains in Tuttlingen sowie die Medizintechnikbundesverbände BVMED und Spectaris sehen vor dem Hintergrund der Corona Krise bei vielen Medizintechnikunternehmen akute Probleme, die Fristen der MDR noch einhalten zu können. So ist nicht davon auszugehen, dass die für die Zertifizierung der Medizinprodukte benannten Stellen in den kommenden Wochen ihre Arbeit (Audits, Aktenprüfungen, Zertifizierungen) in gewohnter Weise fortsetzen können. Auch den Unternehmen selbst steht das zur Umsetzung der MDR erforderliche Fachpersonal nur noch sehr eingeschränkt zur Verfügung. Die einzubindenden Behörden können aufgrund der Corona-Krise ebenfalls nicht in vollem Umfang bei der Zertifizierung mitwirken.